Drei Jahre Haft ohne Bewährung hatte die Staatsanwaltschaft als Strafe für Jan Fabre gefordert. Wegen Gewalt, Mobbing und sexueller Belästigung am Arbeitsplatz sowie unsittlichen Verhaltens gegenüber einer Frau. Fabres Anwältin dagegen hatte einen Freispruch verlangt.
Das jetzt gefällte Urteil kann deshalb unterschiedlich interpretiert werden. Ein Schuldspruch ja, aber ohne die scharfe Verurteilung der Taten, wie von der Staatsanwaltschaft gefordert.
Entsprechend unterschiedlich fielen nach der Urteilsverkündung am noch relativ frühen Freitagmorgen die Reaktionen aus.
Für die Klägerinnen freute sich deren Anwältin An-Sofie Raes mit den Worten "Wir sind sehr zufrieden mit dem Urteil. Ich finde, dass das eine wichtige Erkenntnis ist, ein Meilenstein nicht nur für die mutigen Frauen in diesem Fall, sondern auch für andere Opfer in der Gesellschaft, die sich noch fragen, ob so ein Verhalten strafbar ist. Da haben wir jetzt die klare Antwort des Gerichts, nämlich ja."
Zur Erinnerung: Vor knapp vier Jahren war der international anerkannte Multi-Talent-Künstler Jan Fabre von rund 20 ehemaligen Mitgliedern seines Tanzensembles Troubelyn des grenzüberschreitenden Verhaltens ihnen gegenüber beschuldigt worden. Beleidigungen und Erniedrigungen hätten sie erfahren müssen. Fabre habe seine Machtstellung innerhalb des Ensembles ausgenutzt, Frauen sexuell missbraucht. "Kein Sex, kein Solo" war in der Kampagne gegen Fabre einer der Slogans, die regelmäßig skandiert wurden.
Vorwürfe abgestritten
Fabre selbst stritt diese Vorwürfe immer ab. Am zweiten und letzten Verhandlungstag Anfang des Monats hatte seine Anwältin einen Brief von Fabre vor Gericht vorgelesen. Darin entschuldigt sich der Künstler halbherzig bei den Klägerinnen. Er habe sich immer für einen aufrichtigen Künstler gehalten. Bei seinen Inszenierungen sei es allerdings tatsächlich oft um Grenzwertiges gegangen, um viel Körperliches und auch um Sex. Aber alles immer im Bereich der Kunst. Es sei nie seine Absicht gewesen, jemanden durch seine Arbeit persönlich zu verletzen, so, wie die Klägerinnen das sehen.
Das Gericht ließ die Kunst als Entschuldigung für Fabres Verhalten nur zum Teil gelten. Auch Kunst habe Grenzen, wenn sie mit Menschen arbeite - so der Tenor der Gerichtsentscheidung. Sieben der zwölf klagenden Frauen bekamen vom Gericht Recht, bei fünf weiteren stufte das Gericht die Taten als verjährt ein. Erklärend sagte Gerichtssprecherin Wendy Verhaegen vor der Kamera der VRT "Das Gericht hat entschieden, dass es tatsächlich ein Muster in den Handlungen von Fabre gibt, dass er junge Tänzerinnen immer wieder auf die gleiche Weise herabwürdigend behandelt hat, oft mit einer sexuelle Dimension oder beleidigend."
Fabres Anwältin sieht das anders. "Ich lese in dem Urteil nichts von einem "toxischen Umfeld", das von Fabre bei seiner Arbeit geschaffen wird", sagte Anwältin Eline Tritsmans. "Wir sollten den Taten bitte ihre richtige Dimension geben. Es geht nicht um ein systematisches Verhalten. Davon ist nichts im Urteil zu lesen."
Teilerfolg
Das Urteil wertet Fabres Anwältin als Teilerfolg. "Wir müssen daran denken, dass mein Kunde drei Jahre lang verfolgt worden ist von Menschen, die mit Plakaten mit der Aufschrift "No Sex, no solo"“ an seinem Theater standen. Von diesem Bild ist zumindest nichts übrig geblieben in dem Urteil."
Ob Fabre gegen das Urteil Berufung einlegen wird, oder auch die Staatsanwaltschaft oder eine der Klägerinnen, war kurz nach Urteilsverkündung nicht klar. 30 Tage haben alle Parteien Zeit, eine solche Berufung einzulegen.
Fabre selbst war am Freitag wieder nicht am Gericht erschienen. Damit war er kein einziges Mal bei den Verhandlungen in seinem Fall selbst anwesend. Warum das so war, ließ seine Anwältin heute offen. In der RTBF sagte sie lediglich zu Fabre "Er hat die Absicht, seine künstlerische Arbeit fortzusetzen und hofft, in aller Ruhe weitermachen zu können."
Kay Wagner