Am Dienstagmorgen wurde bekannt, dass die föderale Energieministerin Tinne Van der Straeten gegen Engie vorgehen will. Dazu sollte man sich kurz in Erinnerung rufen, dass Engie-Electrabel der Betreiber der belgischen Atomkraftwerke ist. Atomkraftwerke brauchen kein Öl, kein Gas und auch keine Kohle, um Energie zu produzieren. Das bedeutet enorm hohe Profite, weil das Unternehmen kaum höhere Kosten bei der Produktion hat, aber viel höhere Marktpreise beim Absatz erzielt.
Gleichzeitig muss der belgische Staat sehr viel Geld ausgeben, um die Bürger auch bei der Energie finanziell zu entlasten - zum Beispiel durch den ausgeweiteten Sozialtarif, die Senkung der Mehrwertsteuer oder die Energieschecks. Das kostet die Staatskasse und damit letztlich auch den Steuerzahler schon jetzt über drei Milliarden Euro.
Dem gegenüber stehen die Mehrgewinne des Energiesektors durch die Krise. Laut Schätzungen der Creg, der föderalen Energieregulierungsbehörde, könnte der Energiesektor für das Jahr 2022 bis zu 1,6 Milliarden Euro mehr als normal einnehmen.
Energieministerin würde gerne Mehrgewinne abschöpfen
Tinne Van der Straeten findet es nicht hinnehmbar, dass der Staat und die Bürger immer tiefer in die ohnehin nicht allzu vollen Taschen greifen müssen, während die Atomindustrie gleichzeitig ihre füllt. Das hat sie aber auch nicht zum ersten Mal gesagt, sollte man vielleicht noch hinzufügen. Schon im Herbst letzten Jahres hatte die Energieministerin die Creg aufgefordert, juristisch prüfen zu lassen, ob und wie man die Mehrgewinne möglicherweise abschöpfen könnte.
Jetzt hat Van der Straeten bekräftigt, dass es für sie nicht infrage komme, dass Engie einer Art "Krisenabgabe" entkomme. Niemand dürfe sich wegen der Krise bereichern. Überzogene Profite in strategischen Sektoren - wie der Energie - stellten eine echte Gefahr für die Wirtschaft des Landes dar, verlautete aus ihrem Kabinett.
Frühere Deals erschweren das Vorhaben
Das ist eine ziemlich vertrackte Kiste. Das hängt maßgeblich mit Deals zwischen Engie und früheren Regierungen zusammen. Für die vier neueren Reaktoren bezahlt Engie Abgaben in Höhe eines Prozentsatzes des Profits. Aber durch einen Deal mit der Regierung Michel zahlt Engie für die älteren Reaktoren Doel 1 und 2 einen gewinnunabhängigen Festbetrag pro Jahr. Für den ebenfalls alten Reaktor Tihange 1 wurde mit der Regierung Di Rupo ein Deal festgeklopft, der durch die Aufrechnung früherer Verluste effektiv bedeutet, dass Engie keine Abgaben für ihn zahlt.
Diese alten Deals sind Van der Straeten schon lange ein Dorn im Auge. Eine juristische Prüfung der Verträge hat ergeben, dass es ziemlich riskant wäre, die neu verhandeln zu wollen, weil Engie dann gegen den belgischen Staat vor Gericht ziehen oder Schadenersatzforderungen stellen könnte. Eine derartige Instabilität kann sicher nicht im Interesse der Energieministerin sein - auch und gerade nicht vor dem Hintergrund der Verschiebung des Atomausstiegs.
Nationalbank soll Vorschlag für "Krisenabgabe" ausarbeiten
Was da konkret kommen könnte, darüber ist im Moment leider noch nichts bekannt. Feststeht, dass Van der Straeten die Belgische Nationalbank beauftragt hat, einen Vorschlag für eine sogenannte "Krisenabgabe" für den Energiesektor auszuarbeiten beziehungsweise festzustellen, welchen Bedingungen so eine Krisenabgabe genügen müsste, um eben möglichst keine juristischen Scherereien nach sich zu ziehen.
Der Konzern hat mitteilen lassen, dass er der Ministerin und auch der Nationalbank zur Verfügung stehe. Gleichzeitig hat Engie aber auch betont, dass keine Rede von Mehrgewinnen sein könne. Die Gewinne aus der nuklearen Energieproduktion seien ordnungsgemäß besteuert worden. Engie-Electrabel habe sogar mehr Abgaben bezahlt als eigentlich mit dem Staat vereinbart.
Boris Schmidt
Der Belgische Staat hat vor Jahren seine KKW an Frankreich verkauft und gedacht damit ein Problem elegant gelöst zu haben. Jetzt zeigt sich dass damit Geld verdient wird und plötzlich möchte man doch wieder "dabei sein". Das wird so nicht funktionieren, wer Kraftwerke nach Frankreich verkauft darf nachher nicht weinen wenn die Gewinne ebenfalls nach Frankreich fließen. Man kann den Kuchen nicht verkaufen um dann doch die Kirschen davon essen zu wollen.....
Weil Energie für jeden bezahlbar bleiben muss ist es an der Zeit, die Energieproduzenten und die Energienetze in Volkseigentum zu überführen und zu verstaatlichen. Das gilt auch für andere wichtige Bereiche wie etwa Verkehr, Banken und Gesundheitswesen. Schluss mit der Ausbeutung der Masse durch ein paar wenige Spekulanten und Kapitalisten!
Aber auch die Politik sollte überlegen, ob es moralisch vertretbar ist, die Energiepreise durch Abgaben zur Luxusfinanzierung zweifelhafter und ineffizienter Wolkenschlösser in die Höhe zu treiben.