Diese Reform soll demokratischer und vor allem partizipativer werden, hatte Premier De Croo vor fast einem Jahr versprochen. Über eine Internetplattform sollen die Bürger deswegen zu einer Reihe von Themen befragt werden, die mit der Staatsstruktur und der demokratischen Erneuerung in Zusammenhang stehen. Am Montag ist das Projekt gestartet.
"Ein Land der Zukunft" – so begrüßt die neue Internetplattform den Besucher seit Montag in den drei Landessprachen, also auch auf Deutsch. "Alles verändert sich", beginnt der zugehörige Werbeclip, gefolgt von diversen Beispielen, wie sich unser Alltag durch technischen und gesellschaftlichen Fortschritt weiterentwickelt hat. Aber was sei mit der Demokratie und Staatsstruktur?, so dann die Frage.
Zum ersten Mal wolle die föderale Regierung, dass sich die Bürger auch außerhalb der eigentlichen Wahlen dazu äußerten - eben auf der frisch lancierten Webseite, die am Montagvormittag hochkarätig vorgestellt worden ist. Neben Premierminister Alexander De Croo waren auch die für institutionelle Reformen zuständigen Föderalminister Annelies Verlinden und David Clarinval anwesend, sowie der Staatssekretär für Digitalisierung, Mathieu Michel, und akademische Experten, die an dem Projekt mitwirken.
Damit ist also offiziell der Startschuss gegeben für diese breite Befragung der Bürger. Sechs Wochen soll sie von Montag an dauern. Teilnehmen darf jeder, der älter als 16 Jahre ist, solange es sich um Belgier oder legal in Belgien lebende Personen handelt.
Den Teilnehmern werden zunächst Hintergrundinformationen zu sechs Themen vermittelt: Rolle des Bürgers, Struktur des Landes, Arbeitsweise von Parlament und Regierung, Grundrechte, Befugnisse der Behörden sowie Wahlen und Parteien. Nach dieser Einweisung werden den Teilnehmern dann sogenannte "Herausforderungen" vorgelegt, also offene Fragen, zu denen sie ihre Ideen und Argumente formulieren können.
Das klingt zunächst etwas abstrakt. Aber es geht durchaus um relativ konkrete Fragen, etwa darum, ob mehr oder weniger regionalisiert werden soll. Oder welche Regierung im Krisenfall das letzte Wort haben soll. Wie die Zukunft des Senats oder die Parteienfinanzierung aussehen soll. Wie und wann welche Wahlen durchgeführt werden sollen. Oder auch zum Beispiel, wie die Regierungsbildung beschleunigt werden könnte.
Das Ziel sei eine Art "nationales Brainstorming", erklärte Ministerin Verlinden. So sollten Ideen, Empfehlungen und Vorschläge gesammelt werden. Diese könnten dazu beitragen, eine Vorstellung zu formen, wie die Zukunft des Landes, seiner komplizierten Strukturen und sicher auch die demokratische Erneuerung aussehen könnte.
Nach dem Ende der Befragung soll sich im Sommer ein Expertenteam der Antworten der Teilnehmer annehmen und daraus einen Bericht synthetisieren, der im Herbst vorgestellt werden soll. Zusätzlich laufen auch Vorbereitungen, um dann spezifische Themen von Bürgerforen oder in gemischten Gremien mit zufällig bestimmten Bürgern und Parlamentariern weiter diskutieren lassen zu können. Das soll weitere Anregungen und Ideen für die Reformen liefern. Soweit der Plan beziehungsweise die guten Vorsätze - denn wie viel demokratischer und partizipativer die Befragung den Prozess tatsächlich machen wird, wird man abwarten müssen.
Nicht abwarten wollten allerdings einige föderale Oppositionsparteien:
Die flämischen Nationalisten N-VA schossen das Projekt sofort als "zum Fenster hinausgeworfenes Geld" ab. Denn mit Kosten von rund 2,1 Millionen Euro ist die Übung nicht ganz billig. Die Föderalregierung gebe selbst zu, dass sie sich nicht an die Ergebnisse des Berichts gebunden fühle, so die N-VA, und auch, dass die Antworten nicht repräsentativ sein würden. Hinzu komme, dass die Webseite nicht sehr benutzerfreundlich sei und dass die Themen und Fragen für Menschen ohne Vorwissen zu kompliziert seien.
Ähnlich auch die scharfe Kritik vonseiten der linksextremen PTB-PVDA: Dem Projekt mangele es an Ehrgeiz, außerdem gebe es keinerlei Garantien, dass Schlussfolgerungen tatsächlich später berücksichtigt würden, so die Kommunisten.
Boris Schmidt
Na endlich hat es "Klick" gemacht bei unseren Damen und Herren Postenjäger.Es ist ein erster Schritt Richtung mehr Demokratie. Anscheinend hat die Politik endlich begriffen, daß die Bevölkerung aus Bürgern besteht und nicht aus Untertanen.Und Bürger wollen ein Wort mitreden.Politik ist Angelegenheit aller und nicht nur der akademisch gebildeten Parteieliten.
Bisher bedeuteten Staatsreformen : aus einem nationalen Ministerium werden 3 regionale oder 3 gemeinschaftliche Ministerien.War immer ein Festmahl für Karriereritter.Bezahlt von der Allgemeinheit.
Bleibt zu hoffen, dass im Endergebnis eine vernünftige Staatsstruktur mit 4 Gliedstaaten entsteht und dass Senat und Provinzen abgeschafft werden. Ein garantierter Kammerabgeordneter ist genug für die DG.Und das direkte Demokratie nach Schweizer Modell auch eingeführt wird.
@Marcel
Zu schön um wahr zu sein.
Dein Wort in Gottes Ohren 😉