Mehr militärische und mehr humanitäre Hilfe für die Ukraine. Keiner widersprach am Donnerstag in der Kammer den Forderungen der fragenden Abgeordneten aus den Reihen der Regierung und der Opposition.
Einigkeit auch in der Verurteilung der russischen Gewalt gegenüber den Ukrainern. Die vielleicht treffendsten Worte dafür fand Justizminister Vincent Van Quickenborne. "Es wird immer mehr deutlich, dass die russische Invasion einhergeht mit großer Gewalt, mit Kriegsverbrechen und mit Verbrechen gegen die Menschlichkeit."
Van Quickenborne sieht in dem, was gerade in der Ukraine passiert, Parallelen zu prägenden, schlimmen Kriegsereignissen aus dem vergangenen Jahrhundert. Zu den Massakern, die im Jugoslawien-Krieg passiert sind, und zur Zerstörung der baskischen Stadt Gernika durch die deutsche und italienische Luftwaffe im spanischen Bürgerkrieg 1937. "Nach dem Krieg in Jugoslawien hatten wir geglaubt und gehofft, dass so etwas nie mehr vorkommen wird auf unserem Kontinent. Leider ist nichts weniger wahr. Butscha ist das neue Srebrenica unserer Zeit. Mariupol ist das Gernika unseres Jahrhunderts."
Vier Maßnahmen beschlossen
Belgien werde die Kriegsverbrechen aber nicht einfach so stehen lassen, sagte Van Quickenborne. Vier Maßnahmen habe die Regierung bereits beschlossen, um Licht in all das zu bringen, was zurzeit nur als Vermutung im Raum steht und, um dann die Verantwortlichen für die Taten vor Gericht zu bringen.
Erstens werde Belgien dem Europäischen Gerichtshof mehr Geld für seine Arbeit zur Verfügung stellen. Zweitens die EU-Agentur Eurojust für die rechtliche Aufarbeitung von Straftaten stärker unterstützen. Drittens sei die föderale Staatsanwaltschaft bereit, bei der Meldung konkreter Verbrechen in der Ukraine Ermittlungen aufzunehmen. Viertens werde Belgien Experten zur Aufklärung der Verbrechen bereitstellen und in die Ukraine schicken. "Wir sollten (darum) fest entschlossen sein, die Henker von Butscha und die Monster von Mariupol zu suchen, zu finden und vor Gericht zu stellen", sagte Van Quickenborne.
Konkrete Unterstützung der Ukraine
Mit den Ausführungen des Justizministers waren aber die Forderungen der fragenden Abgeordneten längst nicht erfüllt. Sie wollten mehr, wollten konkrete Unterstützung der Ukraine jetzt sofort. "Wir zögern", stellte Georges Dallemagne von Les Engagés bei seiner Frage an Premierminister Alexander De Croo fest. "Unsere Regierung trifft keine neue Entscheidung, obwohl wir wissen, dass jede Minute zählt angesichts der Massaker, der Barbarei, angesichts dessen, was die russische Armee in der Ukraine anrichtet. Deshalb verlange ich von Ihnen, keine einzige Minute mehr zu verlieren."
Waffen müssten schnell geliefert werden, sagte Dallemagne. In den Depots des belgischen Militärs läge ausrangiertes, aber noch voll funktionsfähiges Material, das von der Ukraine sogar konkret angefordert worden sei. Worauf man noch warte?
De Croo verwies in seiner Antwort auf die Debatte, die seit Mittwoch im Kernkabinett läuft. Dort soll wahrscheinlich am Freitag entschieden werden, ob auch Belgien tatsächlich wieder neues Waffenmaterial und dann auch schwere, sprich Angriffswaffen an die Ukraine liefern wird.
Eine Antwort, die Dallemagne nicht zufrieden stellte. "Sie haben nichts neues gesagt, Herr Premierminister. Ich hatte auf sie gezählt, um ein deutliches, klares Signal zu hören, damit diese Tragödie beendet werden kann. Damit das Blutbad aufhört. Das ist nicht geschehen. Stattdessen werden wir immer noch weiter diskutieren."
Rund 5.000 Orte in der Ukraine müssten auf mögliche Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit untersucht werden. Die Anfrage auf Entsendung eines solchen Teams kam vom Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag und vom ukrainischen Generalstaatsanwalt.
belga/kw/vk