Die Hauptangeklagten stehen zurzeit in Paris vor Gericht, darunter der berüchtigte Salah Abdeslam, der einzige Überlebende des damaligen Selbstmordkommandos. Neben den mutmaßlichen Schlüsselfiguren der November-Anschläge sitzen in Paris aber auch einige Helfer auf der Anklagebank.
In diese Kategorie fallen auch die meisten der 14 Personen, die sich ab Dienstagnachmittag in Haren bei Brüssel vor dem Strafgericht verantworten müssen, wobei für zwei von ihnen angenommen wird, dass sie bereits in Syrien ums Leben gekommen sind. Eigentlich stehen also nur zwölf Personen physisch vor Gericht. Ihnen allen wird vorgeworfen, den Terroristen vor oder nach den Anschlägen auf die eine oder andere Art und Weise geholfen oder sie unterstützt zu haben.
Dass diesen Personen in Belgien der Prozess gemacht wird und nicht gemeinsam mit den anderen Helfern in Paris, ist wie folgt zu erklären: Die belgischen Ermittler beziehungsweise die Staatsanwaltschaft sind zwar überzeugt, dass sie alle in relevantem Ausmaß zu den Anschlägen beigetragen haben, die Franzosen hatten sie aber als nicht wichtig genug betrachtet, um ihre Auslieferung nach Frankreich zu beantragen.
Außerdem hat keine der fraglichen Taten oder Handlungen auf französischem Boden stattgefunden. Schon manche der aktuell in Paris vor Gericht Stehenden werden als "kleine Fische" bezeichnet; die übergroße Mehrheit der 14, um die es jetzt in Belgien geht, spielen also allenfalls eine zweit- oder sogar drittrangige Rolle für die französische Justiz.
Vorwürfe
Die Vorwürfe an die Adresse der zwei angeblich bereits in Syrien umgekommenen Verdächtigen wiegen am schwersten: Die Ermittler gehen davon aus, dass der belgische Syrienkämpfer Sammy Djedou zu den leitenden Figuren gehörte. Er soll auch eine hohe Position innerhalb der Terrorgruppe IS bekleidet haben. Djedou soll enge Kontakte zu Oussama Atar gepflegt haben, der als Drahtzieher hinter den Anschlägen von Paris und auch von Brüssel gilt. Youssef Bazarouj seinerseits soll die rechte Hand von Oussama Atar und auch von Abdelhamid Abaaoud gewesen sein, der ebenfalls als Planer der Anschläge gilt. Bazarouj soll wie Atar und Abaaoud entscheidend an den Vorbereitungen der Anschläge beteiligt gewesen sein.
Bei den anderen zwölf handelt es sich um Verwandte, Freunde oder Bekannte der Attentäter. Sie sollen zum Beispiel Whatsapp-Accounts für die Kommunikation der Terroristen erstellt haben oder auch Salah Abdeslam geholfen haben, als der nach den Anschlägen von Paris hierher flüchtete und sich hier versteckt hielt, bis er am 18. März 2016, also vier Tage vor den Brüsseler Anschlägen, in Molenbeek festgenommen werden konnte.
Bei anderen ist die Frage, ob sie nicht hätten wissen müssen, was ihre Angehörigen oder Freunde im Schilde führten. Und wieder anderen wird die Beschaffung von Waffen und falschen Dokumenten zur Last gelegt, wobei die Angeklagten nicht gewusst haben sollen, wobei sie da eigentlich konkret mitwirkten. Teilweise vielleicht auch im Sinne von: Sie halfen, ohne allzu viele Fragen zu stellen.
"Bindeglied-Prozess"
Der am Dienstag beginnende Prozess hat auch Bedeutung für den im Herbst anstehenden großen Prozess um die Anschläge in der Brüsseler Metro und am Flughafen Zaventem. Beobachter sprechen trotz der vermutlich eher kleinen Rollen der einzelnen Beschuldigten von einem "Bindeglied-Prozess" zwischen dem zu Ende gehenden Prozess von Paris und dem anstehenden großen Prozess von Brüssel. Denn als Mitglieder des gleichen Netzwerks tauchen viele Figuren im Zusammenhang mit beiden Anschlägen immer wieder auf.
Boris Schmidt