1973 drosselten viele arabische Erdölstaaten ihre Produktion. Damit wollten sie bewusst den Westen unter Druck setzen. Denn der unterstützte Israel im Jom-Kippur-Krieg, den Ägypten und Syrien gegen Israel begonnen hatten. Der Krieg war nach wenigen Wochen beendet, der Ölpreis vervierfachte sich im Laufe des folgenden Jahres. Die erste Ölpreiskrise nahm ihren Lauf.
Die Situation von heute ist zwar nicht gleich, aber vergleichbar, meint Wim Coumans. Er war in den 1970er Jahren Kabinettchef von mehreren belgischen Premierministern. Er und Weggefährten appellierten vor einigen Tagen in einem Essay in Le Soir, heute anders zu reagieren als damals.
Damals wie heute versuche die Politik, Haushalte weitgehend vor dem Kaufkraftverlust durch steigende Preise zu schützen. Wer ein indexiertes Einkommen beziehe, sei vor steigenden Energiepreisen geschützt, sagt Coumans - und das zu Lasten von Betrieben und des Staates, der selbst auch Arbeitgeber ist und Sozialleistungen auszahlt.
Steigende Energiepreise sorgen für Verarmung
In einem Land ohne eigene Energiequelle wie Belgien gehen steigende Energiepreise immer mit einer Verarmung einher - das ist unausweichlich. Daher gelte es, diesen Verlust auf alle Schultern zu verteilen - Staat, Betriebe und eben auch Bürger.
Coumans will die Lohnindexierung nicht abschaffen. Aber in besonderen Zeiten wie diesen, sollten die Nutznießer einer Indexrunde nur so viel Euro erhalten, wie die Indexierung des Mindestlohns ergibt. Somit will Coumans sicherstellen, dass stärkere Schultern einen Teil des allgemeinen Kaufkraftverlusts mittragen.
Eine Botschaft, die kaum ein Politiker aussprechen mag, weil die breite Mittelschicht sie nicht hören will. Aber nicht nur die Mittelschicht, sondern das ganze Land mache eine schwere Zeit durch.
Lohnindexierung setzt Inflationsspirale in Gang
Was passiert, wenn man die Lohnindexierung einfach laufen lässt, sieht man in den 1970er Jahren. Damals kam eine Inflationsspirale in Gang. Das bedeutet: Steigende Löhne sorgen für steigende Preise, die wiederum zu steigenden Löhnen führen. Daher muss man jetzt reagieren.
Diese Inflations-Spirale ruiniert nicht nur die Staatsfinanzen, sondern auch die Wirtschaft und Wettbewerbsfähigkeit eines Landes. Belgien hat bis weit in die 1990er Jahre unter diesen Fehlern der 1970er gelitten. Zwar ist nach Einschätzung von Coumans die Ausgangslage heute besser als damals. Doch das kann sich schnell ändern. Die Corona-Krise hat den Staatshaushalt belastet und bald schon werden die Kosten für die Pensionen und das Gesundheitssystem drastisch steigen.
Das sind wahrlich keine rosigen Aussichten. Das Land verarmt durch steigende Energiepreise, die wir nicht beeinflussen können - eine harte Botschaft. Schlimmer wird es nur, wenn man die Augen davor verschließt und glaubt, niemand müsse die Last der Verarmung tragen.
Olivier Krickel