Mit der Tram komme ich am Heysel-Gelände an, und finde mich nach dem Aussteigen schnell zurecht. Zwar sehe ich noch keine Menschenmassen, dafür Schilder vom Roten Kreuz und der Föderalen Ausländerbehörde Fedasil, die mit Pfeilen den Weg weisen.
Die führen mich zu einem Park, an dessen Eingang ich Christine an einem Stand mit Kleidern treffe. Christine ist Deutsche, wohnt in Brüssel und erzählt mir eigentlich schon alles, was ich für meinen Bericht brauche. "Hier ist ein Team von 'Serve the City' und wir verteilen hier Kleidung, Decken, warme Sachen und Spielzeug an Kinder und Erwachsene aus der Ukraine. Da drüben werden Lebensmittel und Kaffee verteilt. Wir versuchen hier wirklich, die größten Nöte zu bekämpfen."
"Da drinnen ist der Park. Da geht es rein zur Warteschlange, wo dann der Palais acht ist, wo die Leute warten, wo sie registriert und dann verteilt werden über das Land, an Familien, die sie beherbergen. Aber wir haben hier also den ersten Empfang. Wenn die Leute ankommen und frieren und hungrig sind und noch gar nichts haben."
Ob sie sich diesen Platz hier ausgesucht hat, frage ich Christine. "Also als erstes waren wir im Park selber drin und da haben wir uns den ausgesucht, weil noch gar nichts organisiert war am Montagmorgen. Wir sind also gekommen mit einem Tisch und haben uns einfach hingestellt. Irgendwann kam dann der Bürgermeister und hat gesagt 'Nein, im Park darf es nicht sein.' Es gab schon anderswo Probleme und wir müssen hier draußen sein. Der Platz ist uns jetzt zugeteilt worden. Aber es ist hier alles eigentlich Freiwilligenarbeit. Das ist nicht von der Stadt organisiert. Das sind hier alles Freiwillige. Hier kommen Leute, die bringen Sachen vorbei, Spenden und wir verteilen weiter."
"Von den Leuten, die spenden kommen, sind sehr viele Leute, die einfach helfen wollen und gar nicht wissen wie. Und die kommen hierher und sehen hier ist ein Tisch, kann ich was bringen? Oder Mensch, ihr macht was, kann ich mich hier mit hinstellen und jeder ist willkommen. Wir nehmen alles an Hilfe an, Kleidungsstücke, Spenden, Essen - alles wird angenommen."
"Von den Leuten, die herkommen, haben viele sehr traurige Geschichten. Manche sind ganz verzweifelt. Nicht alle werden angenommen", erzählt Christine. "Gestern hatte ich eine, ich glaube eine russische Frau. Ich weiß nicht genau, welche Nationalität, aber die wurde auch abgewiesen und war alleine hier. Es gibt also ganz verzweifelte Geschichten. Andere Leute, die haben den Vater der Familie zurücklassen müssen oder Eltern zurücklassen müssen und sind sehr verzweifelt. Es sind viele ältere Leute oder Mütter mit kleinen Kindern. Also wir versuchen hier wirklich erste Hilfe zu leisten."
Auch die Sprachkenntnisse sind ein Problem. "Die Ukrainer selber können zum Teil Englisch oder gebrochenes Französisch. Manche versuchen sogar ein bisschen Holländisch zu lernen. Alle sprechen eine Mischung aus Russisch, Ukrainisch und Polnisch und versuchen möglichst durchzukommen. Ich kenne ein paar Wörter in jeder Sprache. Der Rest ist Theaterspiel, Mimik und irgendwie kommen wir zurecht."
Ich lasse Christine an ihrem Stand, gehe rund 100 Meter durch den Park und da sehe ich sie, die Schlange der Wartenden. Jetzt, kurz nach 12:00 Uhr, ist sie vielleicht 50 Meter lang. Doch am Ende sehe ich, dass es hinter einem Gitter noch weitergeht. Vor dem Gitter stehen Polizisten, nur ab und zu lassen sie einen Schwung Menschen durch. Danach heißt es weiter Schlange stehen vor den Toren der Halle 8. "Drei Stunden stehen wir schon hier", sagt mir ein Mann in gebrochenem Deutsch, der Flüchtlinge bei sich aufgenommen hat.
Die Menschen in der Schlange machen einen eher verschüchterten Eindruck. Manche drehen sich weg, wenn ich mit meinem BRF-Mikrophon an ihnen vorbeigehe. Viele Frauen, ein paar Männer, auch Jugendliche sehe ich. Manche haben Reisetaschen dabei. Eine Handvoll Kinder spielt auf dem naheliegenden Spielplatz.
Etwa in der Mitte der Schlange spreche ich Kristina an. Mit Englisch geht das. Kristina ist selbst Ukrainerin, lebt in Brügge und hat jetzt ein paar Familienangehörige bei sich aufgenommen. Nicht alle konnten aus der Ukraine kommen, weil es gerade für die alten Menschen schwierig sei, zu reisen, sagt sie. Ihre Heimatstadt sei noch nicht direkt vom Krieg betroffen. Trotzdem herrsche dort Angst. Dass die Belgier ihren Landsleuten helfen würden, sei wirklich toll. Darüber seien sie alle dankbar.
Königlicher Besuch im Registrierzentrum für ukrainische Flüchtlinge
Kay Wagner