Wie ernst auch Belgien die Bedrohung aus dem Cyberspace nimmt, das kann man aus einer am Montag veröffentlichten offiziellen Bekanntmachung des FÖD Landesverteidigung ablesen. Darin warnt der militärische Nachrichtendienst SGRS-ADIV die Militärangehörigen, die Angestellten der Landesverteidigung und selbst ihre Familien vor möglichen Folgen der russischen Invasion der Ukraine, unter anderem, was den Aspekt Cybersicherheit betrifft. Man müsse eine erhöhte Wachsamkeit an den Tag legen, um Vorfälle zu verhindern, die die militärische Sicherheit Belgiens gefährden könnten.
Außer auf Anzeichen von Cyberangriffen sollen alle Betroffenen ebenfalls nach Spionage- und Sabotageaktivitäten Ausschau halten. Des Weiteren wird zu großer Vorsicht bei der Preisgabe von Informationen etwa in Sozialen Medien gemahnt, zu besonderer Umsicht beim Umgang mit dem Internet und Computern, ebenso wie zu einem bestmöglichen digitalen Schutz der potenziell sensitiven elektronischen Geräte bei der Arbeit und zu Hause.
Kriegsbeginn schon vor einem Monat
Was vielleicht überzogen klingt, hat gute Gründe, wie zum Beispiel Axel Legay bei der RTBF ausführte. Er ist Professor für Cybersicherheit an der Katholischen Universität Löwen. Für ihn hat dieser Krieg gegen die Ukraine mindestens einen Monat vor dem offiziellen Start der Invasion begonnen, eben im Cyberspace.
Die Attacken von staatlich gelenkten Hackern können dabei viele Formen annehmen und alle möglichen Ziele treffen, so Legay. Angefangen von Falschnachrichten, also Fake News, über die Lahmlegung von Webseiten oder Online-Diensten, bis hin zur Sabotage von Atomkraftwerken oder Staudämmen. Zusammengefasst: Chaos. Neben dem passiven Eindringen, Beobachten und Informationen sammeln könnten die Angreifer also auch sehr zerstörerisch sein. Gerade auch Russland habe eine große und erprobte regelrechte digitale Soldaten- und Spione-Armee.
Belgien Top-Ziel Nummer zwei
Und das stellt jetzt auch wieder eine Gefahr für Belgien dar: Belgien sei der Sitz der NATO und der Europäischen Kommission. Also der beiden Organisationen, die Putin mit finanziellen Sanktionen belegten. Bestimmte Experten sagten deshalb, dass Belgien, nach der NATO, das Top-Ziel Nummer zwei für die Cyberarmee Putins ist. Wobei das NATO-Hauptquartier sich ja ohnehin in Belgien befinde.
Es gebe wirklich Grund zur Sorge und selbst zur Angst. Die Vereinigten Staaten und Frankreich seien die am besten ausgerüsteten Staaten in puncto Cybersicherheit. Beide warnten immer wieder vor den Gefahren für die Energienetze, für die Banken und so weiter. Das könne man nicht ignorieren, unterstrich Legay.
Die Hacker griffen eher selten geschützte Institutionen wie die NATO direkt an. Sie versuchten vielmehr, sich Zugang über leichtere Ziele zu verschaffen, die wiederum Zugang zu in dem Fall der NATO beziehungsweise ihren Informatiksystemen hätten. Die Hacker kämen dann also quasi huckepack über außerhalb des eigentlichen Ziels gehackte Systeme herein. Zu diesen Risikogruppen zählt natürlich das gesamte Personal samt Angehörigen, aber auch etwa Besucher, externe Dienstleister und Ähnliches. Daher auch die deutliche Warnung von der Landesverteidigung beziehungsweise dem SGRS.
Cyberspace nicht überwachbar
Noch am Morgen des russischen Großangriffs auf die Ukraine hatte das belgische föderale Zentrum für Cybersicherheit (CCB) mitgeteilt, dass es anlässlich des Invasionsbeginns keine objektiven Hinweise für eine konkrete Cyberbedrohung Belgiens gebe. Auch wenn das, wie das CCB klarstellte, nie ausgeschlossen werden könne.
Aussagen dieser Art will der Cybersicherheitsexperte Legay aber nicht allzu viel Bedeutung beimessen. Man könne den Cyberspace nicht überwachen, schon gar nicht mit zehn Analysten, so sein Urteil. Außerdem sei das Problem bei Hackerangriffen, dass man sie meist erst bemerke, wenn sie ihre zerstörerische Wirkung bereits voll entfalteten. Die Anbahnung einer solchen Attacke geschehe hingegen meist unbemerkt.
Immerhin seien Belgien oder zumindest doch viele Menschen hierzulande mittlerweile auch sensibilisiert für die Cybersicherheit, so der Experte weiter. Man hinke zwar anderen Ländern, wie etwa Frankreich, fünf Jahre hinterher nach seiner Schätzung, aber man beginne doch, die Problematik ernst zu nehmen und der Bedrohung entgegenzutreten.
Boris Schmidt