Das lang erwartete Corona-Barometer ist noch nicht einmal zwei Wochen alt, schon steht es unter Beschuss. Gerade so, als ob die Kritiker recht behalten sollten, die gesagt haben: Das Barometer ist eigentlich viel zu spät gekommen, um noch irgendeine Wirkung zu zeigen.
Nachdem bereits MR-Chef Georges-Louis Bouchez nach schnellen Lockerungen bei den Corona-Einschränkungen gerufen hatte, gibt es jetzt einen zweiten prominenten Politiker der Vivaldi-Koalition, der auf Lockerungen drängt: Georges Gilkinet von Ecolo, Vizepremierminister und Fraktionsvorsitzender der Grünen im Föderalparlament. In einem Interview mit der Zeitung "Le Soir" fordert er, dass das Corona-Barometer so schnell wie möglich von rot auf orange, wenn nicht sogar auf gelb gestellt werden müsse. Schnell müsse man jetzt wieder zu einer Normalität zurückkehren. "Geben wir Gas", zitiert "Le Soir" Gilkinet.
Im Parlament am Donnerstag klangen ähnlich Töne an. Wieder vorgetragen von Politikern aus den Reihen der Vivaldi-Koalition. CD&V und OpenVLD finden nämlich auch, dass baldige Lockerungen gut tun würden. Kathleen Verhelst von der OpenVLD fasste die Gründe dafür wie folgt zusammen: "Wir wissen mittlerweile mehr von der Omikron-Variante: Sie ist sehr ansteckend, der Krankheitsverlauf milder, der Höhepunkt ist vorbei, und bei den Krankenhäusern wird der Höhepunkt sicher auch bald erreicht sein. Das schafft eigentlich gute Voraussetzungen für Perspektiven."
Verhelst leitete mit diesen Worten ihre Frage nach einem Datum für mögliche Lockerungen ein. Die Frage ging an Gesundheitsminister Frank Vandenbroucke. Doch der zeigte sich nicht geneigt, die Frage positiv zu beantworten. Vielmehr schwang sich Vandenbroucke zum Verteidiger des Corona-Barometers auf. "Jeder sehnt das Ende dieser fünften Welle herbei. Und jeder wünscht sich, dass wir die Einschränkungen lockern, die es zurzeit noch gibt", zeigte der Minister zu Beginn zwar Verständnis für die Forderungen nach einem freieren Leben. Doch Konsens sei bislang auch gewesen, zumindest im Konzertierungsausschuss, dass diese Rückkehr zur Normalität vorsichtig und sicher verlaufen solle. Und um die Einschränkungen sicher zu lockern, "haben wir uns auf einen Stufenplan geeinigt, den wir im Barometer festgelegt haben", sagte Vandenbroucke.
Das Barometer stelle Kriterien auf, ab wann von einer Stufe in die andere gewechselt werden könne. Wenn man das Barometer respektieren wolle, mache es keinen Sinn, ein Datum für Lockerungen jetzt einfach so festzulegen. Wörtlich sagte Vandenbroucke: "Wir werden nicht plötzlich damit anfangen, ein Datum festzulegen. So funktioniert das Barometer nicht".
Und dann verwies Vandenbroucke die Rufer nach Lockerungen noch ein bisschen in die Schranken. "Ich bin ein bisschen überrascht", sagte er, "wenn ich jetzt von verschiedenen Seiten die Forderung höre, das Barometer in den Mülleimer zu werfen. Wenn wir unser Wort gegenüber der Bevölkerung halten und berechenbar sein wollen, dann sollten wir das nicht tun."
Zumindest der Gesundheitsminister hält also bislang an dem Barometer fest. Doch der Druck wächst, um Lockerungen schnell herbeizuführen. Vielleicht sogar am Barometer vorbei.
In einer Woche soll der Konzertierungsausschuss das nächste Mal über neue Corona-Maßnahmen beraten. An Lockerungen - so viel scheint jetzt schon klar - wird er nicht herumkommen.
Kay Wagner