Es war schon eine kleine Überraschung, Föderalminister Vincent Van Peteghem folgende Worte sprechen zu hören. Im flämischen Fernsehen sagte er bezüglich der Möglichkeiten, gegen die hohen Strom- und Gaskosten anzugehen: "Es gibt verschiedene steuerpolitische Maßnahmen, die man beschließen kann. Die Senkung der Mehrwertsteuer ist eine davon. Das wäre zumindest eine Maßnahme, die schnell helfen würde. Das würde sich sehr deutlich bei den Energierechnungen der Haushalte zeigen. Deshalb ist das sicher eine Option, die wir uns gut anschauen müssen."
Überraschend war diese Äußerung deshalb, weil noch Ende vergangenen Jahres Van Peteghem eine Senkung der Mehrwertsteuer abgelehnt hatte. Seine Kehrtwende hält ihm aber zurzeit zumindest niemand vor. Auch nicht, dass er damit einen Vorschlag der kommunistischen PTB im Parlament aufgreift - die dort nämlich das gleiche fordert.
Keine Kritik also, eher das Gegenteil. Verhaltener Applaus, zum Beispiel von Michel Maus, Professor für Fiskalpolitik an der Freien Universität Brüssel (VUB). In der TV-Sendung "Terzake" sagte er am Mittwochabend bei der VRT: "Von 21 Prozent runter auf sechs, das sind immerhin 15 Prozent weniger. Das ist schon mal was für Menschen, die zurzeit mit ihren Energierechnungen zu kämpfen haben. Aber natürlich löst das das grundlegende Problem nicht. Damit wird die Rechnung ein bisschen billiger. Aber das Problem gelöst wird dadurch nicht."
Tatsächlich ist das Problem rund um die Energierechnung nicht einfach zu lösen. Denn diese Rechnung setzt sich aus vielen Bestandteilen zusammen, die für den normalen Verbraucher gar nicht so einfach zu erkennen sind. Experte Maus erklärt: "Die reinen Kosten allein für die Energie machen nur 43 Prozent der gesamten Energierechnung aus. Der Rest sind zusätzliche Abgaben für Netzvergütung, Gebühren, Mehrwertsteuer - und die werden sowohl von der föderalen Ebene als auch von den regionalen Ebenen erhoben.
Anders ausgedrückt: An der Energierechnung verdienen viele ziemlich viel Geld. Davon Abstriche zu machen, fällt natürlich schwer. Zumal im Fall Belgien dann auch noch der alte Streit zwischen föderaler Ebene und den Teilstaaten komme, gab Professor Maus zu bedenken. Denn schnell sei man da bei dem Szenario, dass keiner damit anfangen wolle, auf Einnahmen zu verzichten, wenn gleichzeitig nicht auch die andere Ebene auf Geld verzichten würde.
Energiescheck
Ein gordischer Knoten also - weshalb die Politik mittlerweile auch andere Überlegungen anstellt, um den aktuell so hohen Energiekosten entgegenzusteuern. PS-Chef Paul Magnette schlug am Donnerstagvormittag einen Energiescheck von 200 Euro für ärmere Haushalte vor. Andere Parteien sind am überlegen, was sie vorschlagen könnten.
Als Kurzzeitlösung scheint die zeitweilige Senkung der Mehrwertsteuer aber eine durchaus realistische Chance zu haben. Wobei nach Professor Maus die Mehrwertsteuer auf Energie grundsätzlich eigentlich auch niedriger sein müsste - und zwar dauerhaft. Niedrige Mehrwertsteuersätze von zwölf, sechs oder gar null Prozent würden auf Basisprodukte angewendet, die für das Leben der Bürger als notwendig angesehen werden. Es sei schon erstaunlich, dass Energie nicht dazu gehöre. "Ich denke, dass man bei Energie schon von einem Basisprodukt sprechen kann. Es ist eigentlich absurd, dass Energie immer noch mit 21 Prozent Mehrwertsteuer belastet wird, und nicht mit einem niedrigeren Satz."
Aber natürlich wäre die dauerhafte Senkung der Mehrwertsteuer auf Energie nachteilig für den Staat. Er müsste auf hohe Einnahmen verzichten. Vor ein paar Jahren hatte die Regierung Di Rupo das zwar einmal gemacht. Doch schon die Nachfolgeregierung Michel hob den Mehrwertsteuersatz wieder auf 21 Prozent an.
Hohe Energiepreise: Van Peteghem für zeitweise Senkung der Mehrwertsteuer
Kay Wagner