Menschen, die positiv auf das Coronavirus getestet werden, müssen in Isolation (in Belgien aktuell zehn Tage lang), um auszuschließen, dass sie noch infektiös sind. Daneben gibt es aber auch noch die Hochrisikokontakte und einige andere Fälle, nach denen man in Quarantäne muss. Um den fünften Tag muss man sich testen lassen, Geimpfte können die Quarantäne bereits nach vier Tagen verlassen - vorausgesetzt, sie legen jeden Tag bis zum Erhalt des PCR-Ergebnisses einen negativen Selbsttest ab. Ungeimpfte hingegen müssen sich zwei Mal testen lassen, am ersten und am siebten Tag, bevor sie aus der Quarantäne dürfen.
Belgien "hinkt" glücklicherweise in Sachen Omikron vielen anderen Ländern hinterher. Das hat den Vorteil, dass beobachtet werden kann, welche Auswirkungen die Variante dort hat - und gegebenenfalls auf Entwicklungen reagieren zu können. Was man schon vielerorts sieht: Die neue, hochansteckende Variante droht, unter anderem das wirtschaftliche Leben lahmzulegen.
Aber nicht etwa primär, weil Omikron zu schweren Krankheitsverläufen führt, in dieser Hinsicht sind die Nachrichten eher beruhigend, sondern weil sich durch die hohen Ansteckungszahlen so viele Menschen in Isolation oder Quarantäne begeben müssen. Deswegen haben verschiedene Länder bereits mit einer Anpassung der Regeln reagiert, in vielen anderen wird darüber nachgedacht. Auch in Belgien beugen sich gerade die Experten über diese Frage, auch die Gesundheitsminister wollen sich damit befassen, bevor am Donnerstag dann der nächste Konzertierungsausschuss stattfindet.
Es sei zu befürchten, dass mit den aktuellen Regeln sehr viele Menschen für lange Zeit bei der Arbeit fehlen würden, erklärte Pieter Timmermans, Chef des belgischen Unternehmerverbandes (FEB) in der VRT. Und das, obwohl sie asymptomatisch oder vielleicht gar nicht krank seien, es die aktuell geltenden Quarantäneregeln aber so verlangten.
Angesichts der sehr hohen Anzahl an Menschen, die sich theoretisch infizieren könnten, bestehe das Risiko von Problemen in der Nahrungsmittelindustrie, in den Supermärkten oder auch in anderen essenziellen Bereichen wie dem Gesundheitswesen. Das sei zumindest zum Teil vermeidbar, wenn man wie in anderen Ländern die Quarantäne generell verkürze, stärker auf Selbsttests setze und geboosterte Menschen früher als ungeboosterte aus der Quarantäne entlasse. Auch der flämische Arbeitgeberverband Voka erwartet, ebenso wie die belgische Unternehmervereinigung Unizo, ein schnelles Handeln von der Politik.
Diese Vorstöße der Wirtschaft stoßen aber bei Gesundheitsexperten auf wenig Begeisterung. Er halte es für keine gute Idee, jetzt Verwirrung zu säen in der Bevölkerung, erklärte der Virologe Marc Van Ranst unter anderem in der Zeitung Het Nieuwsblad. Virologisch betrachtet sei ein solches Vorgehen ohnehin ein enormes Risiko. Aus seinen Untersuchungen von Corona-Proben wisse er, dass die virale Ladung manchmal so groß sei, dass sie nach fünf Tagen sicher noch nicht verschwunden sei. Dann sei die Gefahr weiterer Ansteckungen sehr groß. Dass Frankreich eine solche Entscheidung genommen habe, sei mit der Furcht begründet, sonst nicht mehr ausreichend Personal für kritische Dienste zu haben. Frankreich sei epidemiologisch allerdings auch Belgien deutlich voraus.
Auch der Sciensano-Virologe Steven Van Gucht glaubt, dass es noch zu früh ist für solche radikalen Maßnahmen: Das sei vor allem ein Problem, das sich vielleicht in einigen Wochen stellen werde. Die fünf Tage Quarantäne seien schon sehr kurz. Wenn man das noch weiter verkürze, dann verliere das System etwas seinen Sinn. Entsprechendes gelte für die Isolation bei Infizierten. Die Quarantäne sowie das Testen und die Kontaktnachverfolgung seien wichtige Waffen im Kampf gegen das Virus. Wenn bei ihnen gespart werde, werde man dafür einen Preis zahlen müssen.
Dann müsse man zum Ausgleich stärker auf die allgemeinen Maßregeln setzen, also noch mehr Kontaktbeschränkungen, Mundschutzmasken und maximales Homeoffice. Und das sei etwas, was die Arbeitgeber dann auch nicht gerne hörten, so Van Gucht. Auch er verstehe die Sorgen und Anliegen der Wirtschaft und dass es nicht akzeptabel sei, wenn Sektoren stillstehen müssten. Aber es gebe eben eigentlich keine ideale Lösung.
Boris Schmidt