Zwei Jahre Pandemie haben wirtschaftlich in vielen Sektoren tiefe Spuren hinterlassen. Zu allem Überfluss ist Belgien pünktlich zum Beginn des Jahres und damit des Winterschlussverkaufs auch von der fünften Corona-Welle erfasst worden.
In manchen Ländern ist deswegen auch schon zu drastischen Einschränkungen gegriffen worden. In Belgien ist aber glücklicherweise - vor allem aus Sicht der Geschäftsleute - der Appetit der politisch Verantwortlichen für einen neuen harten Lockdown sehr klein.
Dennoch hält sich der Enthusiasmus bei den Händlern spürbar in Grenzen. Aus einer Umfrage des Branchenverbandes "Mode Unie" geht hervor, dass 40 Prozent der Befragten geringere Umsätze als beim letzten Winterschlussverkauf befürchten.
Diese gedämpften Erwartungen bestätigt auch die unabhängige Selbstständigengewerkschaft SNI. Nur rund ein Viertel ihrer Mitglieder rechnet damit, mehr verkaufen zu können als im Januar 2021. Und 2021 war WSV-technisch schon alles andere als rosig: 40 Prozent geringer als 2020 sind die Umsätze 2021 nämlich ausgefallen. Und obwohl viele Händler letztes Jahr noch vorsichtiger beim Bestellen ihrer Waren waren, sind die Lager auch dieses Jahr vielerorts noch sehr voll.
Dabei hatte die Wintersaison für die Modegeschäfte eigentlich gar nicht mal schlecht begonnen: Im September und Oktober und noch bis Mitte November waren die Absätze vergleichbar mit denen des Jahres 2019. Aber dann machten die strengeren Corona-Schutzmaßregeln den Händler einen dicken Strich durch die Rechnung: Weniger Touristen, Homeoffice, der eingeschränkte Betrieb des Horeca-Sektors, die Absage beziehungsweise Begrenzung zahlreicher Veranstaltungen – all das führte im Spätherbst zu weniger Laufkundschaft und Absatzmöglichkeiten.
Es gibt aber auch noch einen weiteren Grund, warum das Wintergeschäft besonders zuletzt nicht sehr gut gelaufen ist: Auch das Wetter spielt nicht mit, wie Isolde Delanghe von Mode Unie in der VRT erklärte. Bei so milden Temperaturen brauchen beziehungsweise wollen natürlich nicht viele Menschen neue warme Winterkleidung. Fast 58 Prozent der Händler hätten im Vergleich zu 2019 weniger verkauft, so Mode Unie – im Schnitt ist die Rede von Umsatzeinbußen in Höhe von 15 Prozent. Das ist also äußerst schmerzhaft für Geschäfte, die während der Pandemie durch Einschränkungen des Verkaufs ohnehin schon stark gelitten hatten.
Es sei ein Understatement, zu sagen, dass sich die Einzelhändler große Sorgen machten, so auch Ann Van Doren von der Gewerkschaft SNI. Denn im Allgemeinen seien die Umsätze noch immer sehr niedrig. Die Konsumenten gingen nicht mehr in die Einkaufszentren, so die Klage. Dabei spiele es eine Rolle, dass die Menschen verstärkt von zu Hause aus arbeiten, aber auch die Angst der Menschen vor Ansteckungen. Beides hat laut SNI dazu geführt, dass die Hälfte der Einzelhändler mittlerweile den immer erfolgreicheren Onlinehandel als wichtigsten Konkurrenten bezeichnet.
Isolde Delanghe von Mode Unie räumt zwar ein, dass bestimmte Zielgruppen eher online einkauften. Aber dennoch sei das ein Phänomen, das man gerade in Belgien nicht überschätzen sollte. Natürlich sei etwa während der Lockdowns mehr online gekauft worden. Aber das aktuelle Problem sei eher, dass die Menschen generell weniger Geld ausgeben würden - also auch nicht online. Deswegen sehe sie gerade für den Modeeinzelhandel durchaus Potenzial beim Schlussverkauf, da hier ein physischer Ladenbesuch und eine gute Beratung doch sehr wichtig für die Kunden seien.
Die Selbstständigengewerkschaft SNI sieht auch die jüngsten Beschlüsse des Konzertierungsausschusses sehr kritisch, insbesondere die Auflage, dass nur noch zu zweit eingekauft werden dürfe. Das sei eine zusätzliche psychologische Hürde, die die Kunden abhalten werde, einzukaufen, so die SNI. Deswegen will die Selbstständigengewerkschaft auch, dass schon jetzt über eine Verlängerung des Schlussverkaufs nachgedacht wird, so wie bereits 2021 geschehen.
Isolde Delanghe von Mode Unie will sich ihren Optimismus jedenfalls nicht nehmen lassen: Eine ganze Woche Weihnachtsferien hätte man ja jetzt erstmal, um die Kunden mit den guten Angeboten zu locken. Und besonders in den Grenzregionen hofft man außerdem auch noch auf eine ganz bestimmte Klientel, die jedes Jahr, aber besonders natürlich in letzter Zeit für viel Umsatz gesorgt hat: In den Niederlanden gebe es keinen Schlussverkauf, unterstrich Delanghe. Deswegen hoffe man, auch jetzt davon profitieren zu können.
Boris Schmidt