Letzte Woche wurde es immer schlimmer, jetzt ist es peinlich - mit diesen deutlichen Worten kommentiert Carl Devos, Professor für Politikwissenschaft an der Uni Gent im Flämischen Rundfunk das, was sich auf der politischen Bühne abgespielt hat.
Fassen wir zusammen: Der Konzertierungsausschuss beschließt, dass der Kultursektor wegen der Corona-Pandemie wieder einmal schließen muss und am Ende sind alle unglücklich. Die Betroffenen in der Branche sowieso, aber auch viele Politiker, die die Entscheidung mitgetragen haben. Für Carl Devos ist es ein Unding, dass sich eine Vize-Premierministerin wie Petra De Sutter darüber freut, dass der Staatsrat eine Entscheidung kippt, die ihre Regierung getroffen hat.
Bisher hat der Staatsrat die Corona-Maßnahmen der Regierung fast immer gedeckt und für rechtens befunden. Fast alle Klagen gegen die Corona-Maßnahmen wurden abgeschmettert. Jetzt lautet die spannende Frage: Ist das jüngste Urteil eine weitere Ausnahme? Hat sich das Gericht davon leiten lassen, dass Politik und Experten am Ende eigentlich gegen die Schließung waren? Oder handelt es sich um einen Paradigmenwechsel?
Wird der Staatsrat künftig also genauer hinschauen, ob Corona-Maßnahmen verhältnismäßig sind? Das würde die Corona-Politik womöglich nachhaltig beeinflussen. Transparenz lautet auch für Carl Devos das Gebot der Stunde. Seit über einem Jahr steht ein Corona-Barometer im Raum. Es soll im Vorhinein festlegen, welche Maßnahmen greifen, wenn bestimmte Corona-Zahlen überschritten werden. Passiert ist aber bisher nichts in diese Richtung.
Es sei auch nicht nachzuvollziehen, warum für Veranstaltungssäle eine absolute Grenze von 200 Besuchern gelte. Denn die gelte egal, ob es sich um einen Saal für 2.000 oder 20.000 Menschen handelt. Das sei unverhältnismäßig und das müsse man infrage stellen, so Devos.
Die belgische Staatsstruktur ist in der Pandemie-Bekämpfung nicht unbedingt hilfreich. Denn es gibt hierzulande keine Normenhierarchie, wie etwa in Deutschland, wo Bundesrecht Landesrecht bricht. In Belgien sind die Regionen und Gemeinschaften in vielen ihrer Bereiche autonom, ohne dass der Föderalstaat hineinregieren kann. Daher müssen Entscheidungen im Konsens getroffen werden und dafür braucht es einen Platz wie den Konzertierungsausschuss.
Wenn man den Konzertierungsausschuss abschaffen wolle, müsse man ihn durch ein gleichwertiges Organ ersetzen. Und da weiß auch Professor Carl Devos nicht, wie das dann aussehen könnte. Im Moment herrsche aber Chaos. Menschen haben Tickets für Veranstaltungen gekauft, die erst abgesagt wurden, jetzt aber wieder stattfinden können oder könnten. Das sei keine verantwortungsvolle Politik. Das Vertrauen in die Politik sei ohnehin schwach und habe jetzt einen neuen Schlag bekommen.
Professor Carl Devos hofft, dass die Politiker in den Weihnachtsferien zur Besinnung kommen und aus den Fehlern lernen. Allzu viel Zeit bleibt nämlich nicht mehr, um das Vertrauen von der Bevölkerung zurückzugewinnen. Devos geht von eineinhalb Jahren aus, danach beginnt nämlich schon der Wahlkampf für 2024.
Olivier Krickel
Ein Glück, dass es den Staatsrat gibt und das der funktioniert.
Die Schließung der Kinos war eine irrationale und nicht nachvollziehbare Entscheidung."Die da oben" haben was beschlossen ohne sich der Tragweite der Entscheidung bewusst zu sein.Anscheinend herrschte im Konzertierungsausschuss völliges Durcheinander und Orientierungslosigkeit.Aber in Krisensituationen kann das passieren. So war es auch im Herbst 1989 in der DDR.Die Maueröffnung war auch das Ergebnis von Irrungen, Wirrungen und Missverständnissen.Auf YouTube gibt es diesbezüglich ein Video, das die Abläufe gut erklärt.Im Nachhinein fragt man sich, wie konnte das passieren und man schüttelt mit dem Kopf.