Bald zwei Jahre schleppen wir uns jetzt schon durch diese Gesundheitskrise. Zwei Jahre, in denen unsere politisch Verantwortlichen sicher nicht immer geglänzt haben. Aber wie steht es eigentlich mittlerweile mit dem Vertrauen der Bürger in die Menschen, die sie ja regieren? Zumindest in puncto Corona-Krisenmanagement?
Nun, nicht besonders gut, so könnte man die Ergebnisse des Großen Barometers zusammenfassen. Es wird vom Meinungsforschungsinstitut Ipsos herausgegeben in Zusammenarbeit mit den Zeitungen Le Soir und Het Laatste Nieuws und den privaten Fernsehsendern RTL-TVI und VTM.
Nur 29 Prozent der Belgier haben demnach Vertrauen in die Föderalregierung bei der Handhabung der Pandemie, weniger als ein Drittel. Bricht man das auf die Regionen herunter, dann stellt man fest, dass die Flamen mit 25 Prozent der föderalen Ebene besonders wenig vertrauen. In Brüssel und in der Wallonie liegen die Werte mit respektive 37 Prozent und 36 Prozent über zehn Prozentpunkte höher als im Norden des Landes.
Die Regionalregierungen scheinen es in den Augen vieler Menschen aber auch nicht viel besser zu können – und die Werte ähneln sich überall: Nur ungefähr jeweils ein Drittel attestiert ihrer jeweiligen Regionalregierung gute Corona-Arbeit.
Es überrascht wohl auch nicht besonders, dass die Akzeptanz für einen totalen Lockdown seit dem Sommer vergangenen Jahres nur eine Richtung kennt: abwärts. Dennoch wäre noch immer mehr als die Hälfte, 58 Prozent, bereit, eine solch einschneidende Maßnahme hinzunehmen.
Die Pandemie belastet aber nicht nur das Vertrauen der Politik gegenüber. Auch im Familien- und Freundeskreis und selbst bei der Arbeit sorgt das Virus offenbar für Knatsch. 27 Prozent der Belgier sagen, dass die Coronakrise zu Problemen in der Beziehung zu ihren Freunden geführt hat. 23 Prozent berichten das Gleiche über Familienmitglieder und fast genauso viele, nämlich 22 Prozent, haben diesbezüglichen Stress bei der Arbeit.
Das große aktuelle Reizthema sind aber die Impfungen. Hier kann man erst einmal festhalten, dass der Anteil der Belgier, die eine Pflichtimpfung gegen das Coronavirus unterstützen, kontinuierlich und flächendeckend steigt. Im Landesdurchschnitt von 45 Prozent im März auf 69 Prozent jetzt. In den einzelnen Regionen variieren die exakten Zahlen, aber die Tendenz ist überall die gleiche.
Geht es nur um eine Pflichtimpfung für das Gesundheits- und Pflegepersonal, dann steigt die Zustimmung sogar noch weiter: Fast drei Viertel der Belgier (74 Prozent) befürworten so eine Politik.
Etwas weniger deutlich denken die Menschen über die Frage, ob Ungeimpfte nicht mehr in diesen Sektoren arbeiten dürfen sollen: Im landesweiten Durchschnitt sind 55 Prozent der Befragten für so ein "Berufsverbot", wobei es in Brüssel und der Wallonie weniger als die Hälfte sind, die so denken, und in Flandern über 60 Prozent.
Sieben von zehn geimpften Belgiern sprechen sich hingegen für mögliche Einschränkungen für ihre ungeimpften Mitbürger aus – eine Meinung, die über die Regionengrenzen hinweg relativ einhellig ist.
Ein anderes großes Thema ist dann ja auch noch die Boosterimpfung. Und wenn es nach dem Großen Barometer geht, muss man sich über die Impfmotivation der Belgier wohl keine Sorgen machen. 88 Prozent geben im Landesdurchschnitt an, entweder bereits den Auffrischpiekser bekommen zu haben oder ihn auf jeden Fall zu wollen. Wie üblich sind die Flamen in dieser Frage etwas eifriger dabei als ihre Brüsseler und wallonischen Landgenossen.
Ein deutlich heißeres Eisen ist hingegen die Frage, ob auch Kinder im Alter von fünf bis elf Jahren geimpft werden sollten. Dafür gibt es mit 57 Prozent nur in Flandern eine Mehrheit. In Brüssel halten sich Befürworter und Gegner genau die Waage, während in der Wallonie mit 40 Prozent zwar mehr Menschen dafür als dagegen sind, aber immer noch weniger als die Hälfte.
Atomausstieg
Neben dem Coronavirus gab es in den letzten Wochen in Belgien eigentlich vor allem ein anderes wichtiges Thema: den Atomausstieg. Und man kann nicht wirklich sagen, dass die Bevölkerung sehr überzeugt zu sein scheint: Nur 15 Prozent sind nämlich für ein unmittelbares und komplettes Aus für die Kernenergie in Belgien.
Mehr als doppelt so viele Belgier, 33 Prozent, glauben sogar, dass Belgien neue, wenn auch kleinere Kernzentralen bauen sollte. Das planen ja die Franzosen. Nur geringfügig weniger, 30 Prozent, sind zumindest dafür, Doel 4 und Tihange 3 länger am Netz zu lassen, also die zwei jüngsten belgischen Reaktoren, und erst dann der Atomkraft Adieu zu sagen.
Interessant ist aber hier auch, was die Erhebung über die zwei Personen sagt, die gerade für die heftigsten Eklats bei der Debatte um den Atomausstieg sorgen: Trotz des unermüdlichen Kreuzzugs des MR-Vorsitzenden Georges-Louis Bouchez für ein Offenhalten der jüngsten Reaktoren unterstützt gerade mal ein Drittel der MR-Wähler diese Position. Selbst unter PS-Wählern, also den Wählern des großen Rivalen Bouchez', liegt dieser Anteil höher.
Noch blamabler fällt die Bilanz für Bart De Wever aus. Obwohl der N-VA-Chef aus allen Rohren gegen den Atomausstieg feuert, steht nur knapp mehr als ein Viertel (26 Prozent) der N-VA-Wähler hinter seinem Kurs.
Boris Schmidt