Die Krankenhäuser und auch die Hausärzte schlagen schon seit geraumer Zeit Alarm. Das haben auch Domus Medica, die flämische Vereinigung der Chefärzte, und Zorgnet-Icuro, der größte flämische Dachverband für Pflegeeinrichtungen heute noch einmal deutlich gemacht. Sie verlangen vom Konzertierungsausschuss, Zitat, "einen dringenden und drastischen Pausenknopf".
Immer bedrohlicher werden im Übrigen aber auch etwa die Meldungen aus dem Unterrichtswesen. Angesichts steigender Ausfälle bei den Lehrkräften, Infektionsherden, die sich von den Kindern auf die Familien und von dort weiter ausbreiten und Quarantänen wird mancherorts schon befürchtet, dass die Schulen nicht mehr bis zur Weihnachtspause durchhalten könnten.
Bislang schien das aber zumindest bei einigen hohen Verantwortungsträgern auf eher taube Ohren zu fallen. Der flämische Ministerpräsident Jan Jambon (N-VA) führte bislang ins Feld, dass die neuen Corona-Maßnahmen doch noch gar keine Zeit gehabt hätten, ihre Wirkung zu entfalten und dass es deswegen zu früh sei, um über zusätzliche Verschärfungen zu sprechen. Ähnliches berichteten die Medien gestern aus dem Kabinett von Premierminister Alexander De Croo (OpenVLD).
Wie standhaft die Politik bei dieser Haltung bleiben wird, wird man abwarten müssen. Fest steht aber wie gesagt, dass der Druck, endlich zu handeln und nicht mehr länger zu warten, quasi stündlich zunimmt. Das ist wohl auch der Hintergrund, vor dem man das Interview der CD&V-Innenministerin Annelies Verlinden am Donnerstagmorgen bei Radio Eén sehen sollte.
Die Ministerin machte zwar eines ganz deutlich: Es komme dem Premierminister zu, einen Konzertierungsausschuss zu einem passenden Zeitpunkt zu organisieren. Allerdings ließ sie auch keinen Zweifel daran, dass sie selbst es für sehr wichtig hält, den Warnungen und Forderungen gerade des Gesundheitssektors Gehör zu schenken.
Über den nächsten Konzertierungsausschuss berate man sich innerhalb der Föderalregierung, versicherte Verlinden. Sie denke, dass das Treffen zwischen den verschiedenen Ebenen des Landes viel früher stattfinden werde, als ursprünglich vorgesehen. Das allein sagt freilich wenig aus, denn der nächste Konzertierungsausschuss war ja erst in anderthalb Monaten vorgesehen. Aber Verlinden betonte mehrfach, dass es ihr darum gehe, bestimmten Sektoren möglichst schnell Deutlichkeit zu geben.
Auf die Frage, ob neue Entscheidungen möglicherweise bereits morgen, also am Freitag, getroffen werden könnten, antwortete die Innenministerin, dass das durchaus sein könne. Sie wolle zwar nicht vorgreifen, aber was getan werden müsse, müsse eben getan werden. Man müsse schnell schalten, wenn dies notwendig werde – und das werde man auch tun.
Der Brüsseler Gesundheitsminister Alain Maron von Ecolo teilte derweil gegenüber BelRTL mit, dass seines Wissens nach die Rede von einem Konzertierungsausschuss in den kommenden Tagen sei, genauer gesagt Anfang der kommenden Woche.
Über Details möglicher Entscheidungen hielt sich die Innenministerin allerdings bedeckt. Es gehe etwa um Aktivitäten, bei denen es sehr viele verschiedene soziale Kontakte in kurzer Zeit gebe – Situationen also, in denen die Gefahr einer schnellen Verbreitung des Virus bestehe. Angesichts der aktuellen Lage müsse schon die Frage erlaubt sein, ob solche Aktivitäten noch zu verantworten seien.
Sie selbst wolle allerdings nicht von einem "Lockdown" sprechen, betonte Verlinden. Am Mittwochabend hatte ja der bekannte Virologe Marc Van Ranst im Fernsehen gesagt, dass er die Verhängung eines "Lockdown light" erwarte.
Wenn es nötig sei, müsse man aber Maßnahmen ergreifen, auch wenn das nicht schön sei. Niemand habe erwartet, in einer vierten Welle zu landen. Aber hier könne man sich der Verantwortung auch nicht entziehen, so die Innenministerin.
Boris Schmidt