Auch der neueste Stand der belgischen Corona-Zahlen ist sicher nicht als beruhigend zu bezeichnen. Alle Indikatoren nähmen weiter zu, so der Infektiologe Yves Van Laethem beim wöchentlichen Online-Pressetermin. Und zwar in allen Regionen und Altersgruppen, was darauf hindeute, dass das Virus stark zirkuliere.
Es gebe also nicht einen einzigen Motor, der die Epidemie aktuell vorantreibe: Verantwortlich seien nicht nur die Schulen, wie manche behaupteten, betonte Van Laethem. Man beobachte auch immer mehr Cluster, also Mini-Epidemien. Allerdings eben nicht nur in den Schulen, sondern auch in den Betrieben und leider auch in Alten- und Pflegeheimen. Deshalb sei es wichtig, die Schutzmaßregeln auf die gesamte Gesellschaft anzuwenden und nicht nur auf bestimmte Bereiche.
Der Infektiologe dämpfte auch Erwartungen, dass die Schulferien zu einer Beruhigung der Situation führen werden, sprich zu einer automatischen Reduzierung der Viruszirkulation unter Kindern und Jugendlichen. Dass sei bei vorherigen Schulferien so gewesen, jetzt befinde man sich aber in einem ganz anderen Kontext. Es gebe sehr viele Veranstaltungen, sehr viele Hobbyaktivitäten und Ferienlager, ergänzte der Virologe Steven van Gucht bei der VRT.
Es werde in diesen Herbstferien viele soziale Kontakte geben, auch zwischen Kindern. In diesem Zusammenhang sei eine Idee sicher nicht schlecht: Kinder und Jugendliche sollen einen Corona-Selbsttest machen vor der Abreise zum Beispiel ins Ferienlager beziehungsweise zu Aktivitäten mit Übernachtungen, um sicherzustellen, dass sie das Virus nicht in sich tragen beziehungsweise es nicht in die Gruppe einschleppen und einen Cluster verursachen.
Van Gucht befürchtet außerdem, dass in den Ferien weniger getestet werden wird, weil das regelmäßige Testen in Schulen wegfällt. Das bedeute natürlich nicht, dass es deshalb weniger Ansteckungen gebe, das müsse man bei der Interpretation der Corona-Zahlen der nächsten Zeit also im Hinterkopf behalten.
Aber auch außerhalb der Ferienzeit liegt den Gesundheitsexperten noch etwas anderes am Herz: die Überlastung vor allem der Hausärzte durch Testanfragen. Unter dem technischen und vor allem auch verwaltungstechnischen Aufwand, der sich dadurch für manche Ärzte ergibt, kann die Behandlung anderer Patienten massiv leiden. Deswegen der eindringliche Appell, nach Möglichkeit, sprich wenn man nicht zu einer besonders gefährdeten Risikogruppe gehört, auf andere Möglichkeiten zurückzugreifen.
Hochrisikokontakte sollen doch bitte darauf warten, bis sie per SMS, Anruf oder E-Mail und einem Code fürs Testen kontaktiert werden. Das kann zwar leider länger dauern, als beim Hausarzt einen solchen Code anzufragen, aber dafür wird der Druck auf die Ärzte verringert. Während dieser Wartezeit ist es natürlich wichtig, sich selbst unter Quarantäne zu stellen und zum Schutz anderer eine Mundschutzmaske zu tragen.
Ein anderes Problem ist, dass noch immer viele Infizierte sich weigern, den Kontaktnachverfolgern Auskunft über ihre Kontakte zu geben. Stattdessen informieren sie Bekannte lieber selbst. Auch das führt zu vermeidbaren Anrufen von so Informierten bei ihren Hausärzten.
Für Menschen, die einen Selbsttest machen, der dann positiv ausfällt, besteht ebenfalls kein Grund, ihren Hausarzt anzurufen. Stattdessen können Sie das Callcenter selbst kontaktieren und so einen Test-Code erhalten. Gleiches gilt für Personen, die über die App eine rote Corona-Warnung angezeigt bekommen haben.
Ab nächster Woche kommt außerdem noch ein anonymer Online-Fragebogen dazu. Auch hierüber wird man einen kostenlosen Test-Code erhalten können, wenn die Abfrage der Symptome eine Infektion nahelegt.
Schließlich dürfen ab dem 1. November auch Apotheken kostenlose Antigen-Schnelltests an Reiserückkehrern aus Risikoregionen und Menschen mit Symptomen durchführen. Auch das soll zu einer Verringerung des Drucks auf Ärzte aber auch auf Testzentren beitragen.
Boris Schmidt