"Der Mensch ist, was er isst", sagte schon der Philosoph Ludwig Feuerbach. Breiter gefasst: Vieles von dem, was wir aufnehmen oder was uns umgibt, hinterlässt im Körper seine Spuren - manchmal nur für einen überschaubaren Zeitraum, manchmal aber auch langfristig.
Wissenschaftler der wallonischen Forschungseinrichtung der öffentlichen Dienste, ISSEP, haben sich einmal die Frage gestellt, was genau im Körper der Bewohner der Wallonie nachweisbar ist. Etwas ketzerisch würde die Frage wohl lauten: "Wie kontaminiert sind wir eigentlich?".
"Feststeht, dass wir kontaminiert sind", sagte in der RTBF Corinne Charlier, Toxikologin an der Uniklinik Lüttich. Das ist die Quintessenz einer großflächigen Untersuchung, die die ISSEP-Forscher durchgeführt haben. Zwischen November 2019 und Juli 2020 hat man Blut- beziehungsweise Urinproben von etwas mehr als 800 Bewohnern der Wallonie aus allen fünf Provinzen gesammelt - das Ganze nach Altersgruppen aufgeteilt: Neugeborene, Jugendliche zwischen zwölf und 19 und dann noch Erwachsene zwischen 20 und 39 Jahren. Die Proben wurden untersucht auf rund 60 Substanzen wie Schwermetalle, Pestizid-Rückstände oder die sogenannten endokrinen Disruptoren, die also das Hormonsystem stören können.
"Die Resultate sind beruhigend und beunruhigend zugleich", sagte Suzanne Remy, Koordinatorin der Studie, in der RTBF. Auf der einen Seite stellen wir fest, dass die Ergebnisse durchaus vergleichbar sind mit denen in den Nachbarländern. Auf der anderen Seite sind die Ergebnisse aber auch besorgniserregend, weil wir doch eine Reihe von giftigen Substanzen nachweisen konnten, die sich also in unseren Körpern befinden.
Liste der Substanzen
Die Liste dieser Substanzen liest sich erstmal wie die Zutatenliste für eine toxische Hexenküche. Angefangen bei den Schwermetallen: "Bei fast allen Neugeborenen haben wir Blei oder Quecksilber nachgewiesen", sagt Suzanne Remy. Das sei natürlich beunruhigend und man werde das im Auge behalten müssen. Blei findet man übrigens im Blut von allen Wallonen. Als Ursachen gelten alte Farben oder Wasserleitungen, aber auch industrielle Umweltverschmutzung.
Anderes Beispiel: PCB. Dieser Kunststoff wurde in den 1970er Jahren vor allem zur Isolierung von Kabeln in elektrischen Anlagen verwendet. Der organische Giftstoff gilt längst als krebserregend und ist seit rund 40 Jahren verboten. Und doch konnte PCB immer noch bei sieben von zehn jugendlichen Testpersonen nachgewiesen werden. Bei den Neugeborenen waren es immerhin auch schon zehn Prozent.
Ziemlich genau das gleiche Phänomen stellt man auch bei einigen Pestiziden fest. Rückstände der sogenannten "alten Pestizide", also zum Beispiel des berühmt berüchtigten Insektizids DDT, konnten immer noch bei einem von fünf Jugendlichen nachgewiesen werden. Dabei sind auch diese Substanzen mitunter schon seit Jahrzehnten verboten. Das habe damit zu tun, dass diese organischen Verbindungen außerordentlich remanent seien, sagt die Toxikologin Corinne Charlier. Remanent bedeutet, dass sie sehr lange im Boden bleiben - bis zu 40 Jahre. Das hat zur Folge, dass man Rückstände davon auch noch heute in Nahrungsmitteln findet. Ähnliches kann man zum Beispiel beim Glyphosat beobachten. Das Unkrautvernichtungsmittel sei 2017 für Privatkunden aus dem Handel genommen worden, sagte die wallonische Umweltministerin Céline Tellier im Sender RTC. Und doch können Rückstände von Glyphosat noch bei einem von vier Jugendlichen nachgewiesen werden.
Sinn und Zweck der Studie ist es, erstmal ein toxikologisches Bild der Wallonie zu erstellen. Die Ergebnisse dieser Studie wären jetzt also quasi der Ausgangspunkt. Zunächst will man diese Ergebnisse nochmal verfeinern, also Ursachenforschung betreiben, um gegebenenfalls die Ursache der Kotamination zu finden. Außerdem wird man künftig in regelmäßigem Abstand wieder solche Studien durchführen, um zu ermitteln, inwieweit sich das Bild entwickelt oder nicht.
Roger Pint