Die Entwicklung ist nicht wirklich neu, ihre Ursprünge reichen bis weit in die Gesundheitskrise zurück. Aber die neuesten Zahlen aus einer Umfrage des Bausektor-Verbands machen dennoch deutlich, wie groß das Problem und seine Auswirkungen mittlerweile sind. Die Bauunternehmer sehen sich seit Monaten mit immer weiter steigenden Preisen für Material konfrontiert.
Die Corona-Krise habe zu Lockdowns in allen Produktionsstätten geführt, so Véronique Vanderbruggen vom Branchenverband bereits im Sommer in der VRT. Das habe zu einem Ungleichgewicht zwischen wieder steigender Nachfrage und der tatsächlichen Produktion geführt. Dann seien noch Probleme beim Transport hinzugekommen. Beides zusammen habe zu der angespannten Preislage geführt.
Höhere Preise und längere Lieferzeiten
Das bestätigt sich auch jetzt wieder: 59 Prozent der Bauunternehmer beklagen eine Teuerung des Materials von mehr als 15 Prozent verglichen mit November 2020. Für fast ein Drittel ist das Material sogar über 25 Prozent teurer geworden und bei zwölf Prozent sind es sogar mehr als 50 Prozent höhere Preise.
Und das Problem ist nicht nur, dass das Material teurer wird, sondern eben auch, dass die Lieferung länger dauert. 62 Prozent der befragten Bauunternehmen geben diesen Monat an, dass die Lieferung ihres Materials mehr als zwei Wochen länger dauert als geplant. Bei 36 Prozent, also über einem Drittel, sind es sogar mehr als vier Wochen Verzögerung, die zu beklagen sind.
Die Lieferengpässe sind aber nicht für alle Materialien gleich schlimm. Bei Zement, Glas und Backsteinen etwa ist die Lage mehr oder minder unter Kontrolle. Besonders stark betroffen sind hingegen beispielsweise Holz und Dämmstoffe aus Polyurethan. Für sie und auch für anderes Isoliermaterial gibt über ein Fünftel der Bauunternehmer an, dass sie mehr als zwei Monate länger auf ihre Lieferungen warten müssen.
Ohne das richtige Material in ausreichenden Mengen kann aber auch nicht gebaut oder renoviert werden. Die Folge: Der Abschluss von Projekten kann sich verzögern und teurer werden. Aktuell sei bei 59 Prozent der Projekte eine Verspätung gemeldet worden, so der Bausektor-Verband. Das ist im Vergleich zum Juni ein erneuter Anstieg von sieben Prozent.
Verhandlungen mit der Föderalregierung
All das führt zu nicht unerheblichen finanziellen Risiken. Der Branchenverband empfiehlt seinen Mitgliedern deshalb bereits seit Längerem, bei Vertragsabschlüssen Tagespreise zu nutzen oder eine sogenannte Revisionsklausel zur späteren Anpassung des Vertrags vorzusehen. Immer mehr tun das laut der Umfrage auch. In immerhin 41 Prozent der Fälle gehen die zusätzlichen Kosten wegen der Preissteigerungen für das Material mittlerweile zulasten der Kunden, wenn auch meist nur teilweise. Aber noch immer in 54 Prozent der Fälle müssen die Bauunternehmen die Mehrkosten komplett selbst tragen.
Fast die Hälfte der Bauunternehmen will laut der Umfrage deshalb vor allem, dass die politisch Verantwortlichen ihnen unter die Arme greifen. Die Preissteigerungen machten den Bauunternehmern seit mehr als einem Jahr einen Strich durch die Rechnung, sie könnten diese Risiken nicht mehr allein tragen, so Niko Demeester vom Branchenverband am Dienstag in der VRT. Deswegen frage man die Föderalregierung darum, diese Preissteigerungen als abnormal und die gegenwärtige Lage als außergewöhnliche Umstände anzuerkennen. Der Verband verhandelt darüber bereits mit der Föderalregierung.
Diese Anerkennung sei Voraussetzung, um mit den Partnern in einen Dialog treten zu können, damit die Bauunternehmer die höheren Kosten nicht mehr komplett selbst schultern müssten, so Demeester. Viele Bauunternehmen plädieren außerdem für mehr Solidarität und Dialog in der gesamten Bauprozesskette. Das könne dabei helfen, auftretende Spannungen bei den Preisen oder Lieferterminen leichter aufzufangen, heißt es.
Boris Schmidt