Der wallonische Ministerpräsident Elio Di Rupo listet die traurige Bilanz noch einmal auf: 38 Tote, ein Mensch, der noch vermisst wird. Bis zu 100.000 Betroffene, bis zu 50.000 überflutete Wohnungen, 160.000 Tonnen Schutt - fast alle Gemeinden in der Wallonie waren vom Hochwasser getroffen worden - die einen mehr, die anderen weniger. Während an vielen Stellen selbst die Aufräumarbeiten immer noch andauern, schwebt die große Frage im Raum: Hätte man zumindest das Ausmaß der Katastrophe verringern können?
Mit dieser Frage soll sich der Untersuchungsausschuss des Wallonischen Parlaments befassen. Dass es diesen Ausschuss gibt, ist keine Selbstverständlichkeit. Die Oppositionsparteien CDH und PTB hatten ihn zwar schon seit Wochen gefordert. Unmittelbar nach der Katastrophe wollte Ministerpräsident Di Rupo aber keinen solchen Ausschuss einrichten. Der Grund: die Justiz ermittelt schon, ob Verantwortliche auf gleich welcher Ebene Fehler gemacht haben, die strafbar wären. Diesen Ermittlungen wollten Di Rupo und andere nicht durch eine parlamentarische Untersuchung in die Quere kommen.
Am Mittwoch stimmten dann doch alle Parteien im Parlament für diesen Ausschuss. Er soll vor allem Licht ins Dunkel bringen. Es gehe darum, Verantwortliche zu benennen aber nicht Schuldige zu finden, erklärt Jean-Claude Marcourt in der RTBF. Er ist Parlamentspräsident und wird auch dem Ausschuss vorsitzen.
Transparenz schaffen über dem, was passiert ist und warum es so passiert ist. Dann natürlich prüfen, ob jeder seinen Job ordentlich erledigt hat und benennen, wo Fehler gemacht wurden. Und schließlich die Lehren ziehen, damit sich eine solche Katastrophe nicht wiederholt. Elf Abgeordnete sollen sich bis Dezember damit befassen. Darunter sind die beiden deutschsprachigen Anne Kelleter für Ecolo und Christine Mauel für die MR.
Die Kammer hat einen eigenen Untersuchungsausschuss eingesetzt. Es ist sehr wahrscheinlich, dass sich die Arbeiten der beiden Gremien überschneiden - gerade, was die Organisation der Rettungskräfte betrifft. Natürlich werde sich der wallonische Ausschuss auch mit der Rolle des Roten Kreuzes oder des Zivilschutzes befassen, sagt Marcourt. Im Fokus liegen aber strikt die regionalen Zuständigkeiten und keine Empfehlungen, wie der Föderalstaat seine Verwaltung reformieren soll.
Eine politische Aussage macht Marcourt dann doch: Die Tatsache, dass die letzten Föderalregierungen beim Zivilschutz gespart hätten, habe eine Auswirkung auf dessen Arbeit. Und das habe auch einen Einfluss in der Flutkatastrophe gehabt.
Die Wallonische Region hatte sich schon vor der Corona-Pandemie und dem Hochwasser darum bemüht, die Wirtschaft anzukurbeln. Beide Krisen haben das Bestreben nun vielleicht zurückgeworfen. Marcourt spricht von einem Schock. Trotzdem war die Wallonie auf einem guten Weg - mit steigender Beschäftigung und Wirtschaftsaktivität.
Überhaupt seien die Krisen nur über eine funktionierende Wirtschaft zu überwinden, so Marcourt. Jetzt hat die Wallonie wieder hunderte Millionen Euro in die Hand genommen und die Folgen von Corona und Hochwasser aufzufangen. Milliardensummen, die Marcourt aber nicht beunruhigen. Vom Geld für den Wiederaufbau profitiert die hiesige Wirtschaft und damit fließen die Mittel über Mehrwertsteuer und Sozialabgaben zum Teil wieder zurück an den Staat, glaubt Marcourt.
Olivier Krickel