Zunächst einmal habe man feststellen müssen, dass sich die Sicherheitslage am Flughafen von Kabul zuletzt spürbar verschlechtert habe, erklärte Premierminister Alexander De Croo bei einer Pressekonferenz am Donnerstagvormittag. Darüber hinaus habe es sehr konkrete Warnungen vor einem Selbstmordanschlag in der Umgebung des Flughafens gegeben.
Unter diesen Bedingungen habe man nicht riskieren wollen, vor Ort zu bleiben - natürlich in erster Linie zum Schutz der belgischen Soldaten, von denen ja einige am Flughafen von Kabul Position bezogen hatten. Und auch die hatten von einer allgemeinen Aufbruchstimmung berichtet, sagte Verteidigungsministerin Ludivine Dedonder.
Die Partner hätten damit begonnen, ihre Leute abzuziehen. "Und wir waren am Ende auch dazu genötigt, uns aus Kabul zurückzuziehen", sagte Dedonder. Die Flugzeuge, die Soldaten, die Mitarbeiter, alle sind am Flughafen der pakistanischen Hauptstadt Islamabad, den Belgien als Drehkreuz für die Evakuierungsflüge genutzt hat, zusammengezogen worden.
Zeit für eine erste Bilanz. 23 Evakuierungsflüge wurden absolviert, dabei wurden über 1.400 Personen ausgeflogen, von denen einige aber Staatsbürger anderer Partnerländer waren. Unter rein belgischer Verantwortung standen 1.100 Menschen, präzisierte Außenministerin Sophie Wilmès: "belgische Staatsbürger und ihre Angehörigen, ehemalige Ortskräfte und andere, die wir ausfliegen wollten."
Gemeint sind hier auch die Vertreter von Menschenrechtsgruppen, die Belgien quasi unter seine Fittiche nehmen wollte. "Weil es Menschen sind, die für die Welt gekämpft haben, an die wir glauben", so formulierte es Asylstaatssekretär Sammy Mahdi. All diese Menschen werden jetzt nach Belgien gebracht oder sind schon eingetroffen. Nach Angaben von Mahdi sollen rund 250 Afghanen aufgenommen werden. Neben Menschenrechtsaktivisten sind es auch Journalisten und Fußballspielerinnen, die allesamt auf einer sogenannten schwarzen Liste der Taliban stehen.
Nach der Landung am Militärflughafen Melsbroek ist die erste Station die Kaserne von Peutie nördlich von Brüssel. Dort finden die medizinischen und auch die Sicherheitschecks statt. Und dort befindet sich auch Personal des Ausländeramtes und von Fedasil, die gegebenenfalls die Einreisemodalitäten und auch die Erstaufnahme regeln. Menschen, die bislang keinen Wohnsitz in Belgien hatten, wie etwa die Mitarbeiter der Menschenrechtsgruppen, müssen ja erstmal untergebracht werden.
Bei alledem führen wir einen Vierfach-Check durch, betonte Premierminister Alexander De Croo: "Die Menschen werden durch den Antiterrorstab OCAM, die Sûreté, den Militärgeheimdienst und am Ende auch noch durch die Polizei überprüft. Wir wollen schließlich sicher sein, dass diese Menschen Anrecht auf belgischen Schutz haben - und dass natürlich auch keine Gefahr von ihnen ausgeht."
Wegen des abrupten Endes der Aktion besteht aber leider die Gefahr, dass nicht alle Belgier oder Menschen mit Belgien-Bezug herausgeholt werden konnten. Noch am Mittwoch war ein Bus, der von den belgischen Behörden gechartert worden war, an einem Checkpoint gestoppt worden, dabei fielen anscheinend auch Schüsse. Das Fahrzeug wurde offenbar letztlich zusammen mit den Passagieren zurückgeschickt. Was mit diesen Menschen passiert ist, dass wisse man noch nicht. Und auch nicht, wie viele sich insgesamt noch in Afghanistan befinden, hieß es bei der Pressekonferenz.
Ausgehend von den aktuellen Listen gebe es noch 114 Menschen, von denen man noch nicht sicher ist, dass sie es außer Landes geschafft haben, sagte Außenministerin Sophie Wilmès. Es sei ja auch möglich, dass sie an Bord von Flugzeugen anderer Länder ausgeflogen wurden.
Diese 114 Menschen seien benachrichtigt worden. Bisher seien zwölf Antworten eingegangen von Menschen, die noch in Afghanistan sind und nach Belgien ausreisen wollen, sagt Wilmès. Deswegen bleibe man denn auch erstmal noch in Islamabad präsent, sagte Verteidigungsministerin Dedonder. Um je nach Entwicklung der Lage agieren oder reagieren zu können. Gleich wie es komme, die Botschaft werde alles tun, um die Menschen zu unterstützen, die sich noch in Afghanistan befinden.
Weiterhin wird ein erheblicher Aufwand betrieben, um den Menschen zu helfen. Alle Minister bedankten sich denn auch bei allen Beteiligten für ihren unermüdlichen und mutigen Einsatz.
Roger Pint