Die gute Nachricht vorneweg: In Belgien sind im ersten Halbjahr 2021 weniger Menschen auf den Straßen gestorben als im Vergleichszeitraum 2020. Mit einem Rückgang von zwei Prozent kann man zwar beim besten Willen nicht von einem beeindruckenden Ergebnis sprechen, aber weniger Tote sind natürlich immer besser, da sich hinter jeder nüchternen Zahl in der Statistik menschliche Dramen und Schicksalsschläge verbergen.
Extremer Unterschied zwischen Wallonie und Flandern
Dieser leichte Rückgang repräsentiert aber nur die Tendenz im landesweiten Durchschnitt. Schlüsselt man das Verkehrssicherheitsbarometer nach den Regionen auf, dann bietet sich ein doch sehr unterschiedliches Bild: Während die Wallonie sich über 20 Prozent weniger Tote freuen kann, so ist die Entwicklung im Norden des Landes das genaue Gegenteil: 24 Prozent mehr direkte Opfer tödlicher Unfälle waren in Flandern zu beklagen. Diesen Unterschied zwischen 2021 und 2020 will Stef Willems vom Vias-Institut aber dennoch nicht als erschreckend bezeichnen. Vielmehr habe man erwartet, dass die Zahlen dieses Jahr etwas steigen würden.
Vergleiche durch Corona schwierig
2020 habe es ja quasi drei Monate ohne Verkehr gegeben, erinnerte Willems am Morgen bei Radio Eén. Die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Einschränkungen machten Vergleiche generell schwierig, gerade wegen der Lockdowns und dem Pflicht-Home Office und dem dadurch bedingten viel weniger dichten Verkehr. Mit verlässlichen Schlussfolgerungen beziehungsweise strukturellen Tendenzen für diese Zeiträume müsse man deshalb sehr vorsichtig sein.
Kein Abwärtstrend feststellbar
Besorgniserregend sei hingegen zweifelsohne die Entwicklung bezogen auf die letzten fünf Jahre. Denn hier sei kein strukturell abnehmender Trend mehr zu beobachten. Bezogen auf Flandern sei sogar eine minimale Zunahme von 108 Todesopfern 2017 auf 109 dieses Jahr zu verzeichnen.
Sowohl national als auch regional sei das Ziel ja eigentlich, die Zahl der Verkehrsopfer alle zehn Jahre zu halbieren. Und das werde man sicher nicht erreichen, wenn die Zahl der Todesopfer über fünf Jahre quasi stagniere, so Willems.
In Flandern sei also deutlich, dass die Zahlen wieder das Vor-Pandemie-Niveau erreicht hätten. Und hierbei müsse man sich noch etwas vor Augen halten: 2021 galt auch hier noch monatelang eine nächtliche Sperrstunde und war der Horeca-Sektor geschlossen. Zwei Risikofaktoren also, die in Nicht-Corona-Zeiten vielleicht für noch mehr Tote auf den Straßen gesorgt hätten.
Anstieg der Zahlen nach Lockerung von Corona-Regeln
Wie sehr sich die Einschränkungen beziehungsweise deren Aufhebung tatsächlich auswirken können, kann man beispielsweise am Monat Juni sehen: Allein hier sind in Flandern 27 Menschen direkt bei Verkehrsunfällen ums Leben gekommen - also in dem Monat, in dem es diverse Lockerungen der Corona-Schutzmaßregeln gab, wie die Wiederöffnung des Horeca-Sektors, aber auch natürlich die Zeit der Fußball-Europameisterschaft beziehungsweise als wieder weniger Menschen von zu Hause gearbeitet haben.
Steigende Anzahl von Verkehrsunfällen
Neben Verkehrsunfällen mit Todesfolge gibt es aber natürlich auch noch die, die zum Glück glimpflicher ausgehen. Und hier ist der Trend zumindest landesweit tatsächlich der gleiche – auch wenn man nicht von einer positiven Entwicklung reden kann: Die Anzahl von Verkehrsunfällen in Belgien hat um insgesamt zwölf Prozent zugenommen, bei den Verletzten gab es eine Zunahme von elf Prozent.
Kleinkrafträder häufig an Unfällen beteiligt
Was die an Unfällen beteiligten Verkehrsmittel angeht, so ist festzuhalten, dass im ersten Semester 2021 vor allem Unfälle mit Kleinkrafträdern zugenommen haben – und zwar um satte 39 Prozent, wie Vias hervorhebt. Allerdings muss man hier auch anmerken, dass diese Unfälle zwischen 2011 und 2020 um 55 Prozent zurückgegangen waren. Darunter fallen klassische Roller beziehungsweise Mopeds und so weiter. Und die Steigung betrifft vor allem junge Fahrer unter 24 Jahren.
Elektrofahrräder nicht für starke Zunahme verantwortlich
In die Kategorie Kleinkrafträder fallen aber auch die sogenannten "Speed Pedelecs", also Elektrofahrräder. Letztere sind laut Vias jedoch nicht verantwortlich für die starke Zunahme, sie sind nur an acht Prozent dieser Unfälle beteiligt gewesen. Dennoch wirkt sich die zunehmende Beliebtheit der Elektrofahrräder natürlich aus: Man beobachte schon länger, dass die Zahl von Unfällen strukturell steige, an denen Fahrradfahrer beteiligt seien. Dazu trügen natürlich auch die Elektrofahrräder bei. Und dass immer mehr ältere Menschen diese Art von Fahrrädern nutzten, so Willems.
Boris Schmidt
In Flandern ist die Max. Höchstgeschwindigkeit auf Landstraßen runtergesetzt auf 70 km/h. Und wegen den vielen Radarfallen in Flandern schauen die Leute jetzt vielleicht mehr auf dem Tachometer als auf der Straße und verursachen vielleicht deshalb jetzt mehr Unfälle?