Rund 400 Millionen illegale Zigaretten sind letztes Jahr allein in Belgien beschlagnahmt worden. 2021 waren es vor der Razzia am Mittwoch über 97 Millionen Zigaretten, mehr als 173 Tonnen gebrauchsfertiger Tabak zum Drehen von Zigaretten und für Wasserpfeifen sowie rund 76 Tonnen Rohtabak. Das stellt natürlich nur einen Bruchteil der tatsächlich im Umlauf befindlichen Menge dar. Wieviel Ware am Mittwoch dann noch sichergestellt werden konnte, ist noch nicht abschließend geklärt. Aber schon jetzt ist die Rede von mindestens 28 Millionen fertigen Filterzigaretten und weiteren 75 Tonnen noch unverarbeitetem Tabak. Die Akzisen und Umsatzsteuer, die nur dafür an den belgischen Staat fällig werden würden, belaufen sich auf mindestens 21 Millionen Euro.
Das sind zwar zweifelsohne aufsehenerregende Zahlen, ungewöhnlich sind solche Operationen deswegen aber nicht in Belgien. 2020 sind hierzulande 18 illegale Zigarettenfabriken und Lager ausgehoben worden, dieses Jahr waren es ohne die Erfolge von Mittwoch bereits vier Produktionsstätten und elf Lager.
Geografische Lage
Und das hat auch einen Grund, wie Florence Angelici, Sprecherin des FÖD Finanzen, am Morgen in der RTBF erklärte. Die geografische Lage im Herzen Europas und die logistischen Möglichkeiten sorgen dafür, dass die illegale Herstellung von Zigaretten in Belgien zunimmt. Es handele sich aber um ein europaweites Problem. Am aktivsten sind die Zigarettenfälscher nach wie vor in Polen. Von insgesamt 318 gefundenen illegalen Fabriken in Europa entfielen 2020 nur 18 auf Belgien.
Belgien ist für die Kriminellen vor allem hinsichtlich des Schmuggels der Zigaretten nach Großbritannien und Frankreich interessant. In beiden Ländern sind legale Zigaretten schon länger sehr teuer. Das macht die Märkte für die Fälscher und Schmuggler natürlich besonders attraktiv. In Großbritannien gehe das soweit, dass die illegalen Zigaretten teilweise sogar in Nightshops verkauft würden, so Angelici.
Mittlerweile würden in Belgien aber auch Zigaretten für den Verkauf in anderen Ländern hergestellt, auch für den belgischen Markt selbst. Das könne man daran sehen, dass die mitgefälschten Gesundheitswarnungen auf Niederländisch und Französisch seien. Dabei handele es sich jedoch zumindest aktuell noch um eine Randerscheinung. Verkauft werden solche Päckchen hierzulande dann beispielsweise von Straßenhändlern oder auf Märkten oder auch über das Internet.
Hochorganisierte Netzwerke
Die kriminellen Organisationen hinter den gefälschten Zigaretten könne man mit der Drogenmafia vergleichen, so die Sprecherin des Finanzministeriums. Es handele sich um hochorganisierte Netzwerke. So gebe es etwa sogar regionale Manager und Tochterunternehmen, die sich ausschließlich um spezifische Bereiche der komplexen Operationen kümmerten. Zum Beispiel die Herstellung der gefälschten Verpackungen, den Aufbau der illegalen Fabriken oder die Beschaffung, Kalibrierung und Bedienung der notwendigen Maschinen, die oft aus China stammen, und Personal-Manager, die dafür sorgen, dass die Arbeiter und teilweise hochqualifizierten und begehrten Spezialisten dort hingelangen, wo die Mafia sie gerade braucht. Und schließlich müssten die Arbeiter, die über Monate in den illegalen Fabriken eingesperrt seien, ja auch noch ernährt werden, auch das muss organisiert werden.
Diese Arbeiter kommen vor allem aus Osteuropa. In den illegalen Fabriken können sie ein Vielfaches dessen verdienen, was sie in der Heimat bekommen würden. Die meisten der am Mittwoch Festgenommenen sind beispielsweise Rumänen, Bulgaren und Ukrainer. Sie sind aber letzten Endes wenig mehr als Handlanger und kleine Fische. Die echten Köpfe der Zigarettenmafia sitzen laut Zoll in Russland, Dubai und Moldawien.
Der Aufwand, den die Kriminellen für ihre Fabriken betreiben, ist also nicht unerheblich. Allerdings sind die Gewinnmargen beim Verkauf illegaler Zigaretten so groß, dass diese Investitionen sehr schnell wieder reingeholt werden können.
Boris Schmidt
Und wo werden die "falschen" Zigaretten verkauft?
Beim Delhaize doch bestimmt nicht. Muss ja irgendwie unter die Leute kommen...