"Das haben wir noch nie gesehen", sagte in der VRT Philippe Vandekerckhove, der Direktor des flämischen Roten Kreuzes. "Das sind nicht mal eben zwei oder drei Mal so viele Spenden wie sonst, sondern wir sind hier in einer anderen Welt".
30 Millionen Euro hat das Rote Kreuz bereits gesammelt. Und, in der Tat: Das übersteigt alles, was man bei der Hilfsorganisation bislang gesehen hat. Anlässlich großer Katastrophen wie dem Tsunami 2004 oder medienträchtiger Spendenaktionen am Jahresende waren zwar auch schonmal sechs bis sieben Millionen zusammengekommen. Aber 30 Millionen, das ist tatsächlich "eine andere Nummer".
Daran sieht man, dass nicht immer die reine Dimension einer Katastrophe die Spendenbereitschaft beeinflusst, sondern eher noch das Maß an Betroffenheit; und die ist nunmal größer, je näher die Katastrophe zugeschlagen hat.
Geld jedenfalls wird nötig sein, um den Betroffenen wieder auf die Beine zu helfen. "Nicht vergessen, wir sprechen hier von einem enorm großen Gebiet", sagt Philippe Vandekerckhove. Hier geht es nicht, wie sonst, um eine Handvoll Ortschaften, sondern um 202 Gemeinden. Ein solches Ausmaß haben wir in Belgien noch nie gesehen.
Kritik
Damit nimmt der Leiter des flämischen Roten Kreuzes aber im Grunde auch schon sein Plädoyer vorweg. Seine Organisation sitzt nämlich im Moment gewissermaßen auf der öffentlichen Anklagebank. In den letzten Tagen gab's immer wieder Kritik an der Hilfsorganisation; auch von einigen Bürgermeistern, die mitunter auch sehr undiplomatisch ihren Unmut zu Ausdruck brachten. Die Hilfe sei unkoordiniert, die Helfer auf dem Terrain eher unsichtbar.
"Dieser Eindruck kann entstehen", räumt Philippe Vandekerckhove freimütig ein. Wahrscheinlich stimmen all die Erfahrungsberichte auch, die zuweilen in den Zeitungen stehen. Denn das liegt in der Natur der Sache. Eine Katastrophe ist "per se" immer eine unerwartete logistische Herausforderung. Was er nur schade finde, das ist, dass nur die negativen Erfahrungen hervorgehoben würden. Vieles laufe nämlich auch schon recht gut.
Keine klare Bestandsaufnahme
Das größte Problem sei aber in der Tat, dass es immer noch keine klare Bedarfsanalyse gibt; es gibt eigentlich immer noch keine endgültige Bestandsaufnahme der Schäden. Das frankophone Rote Kreuz arbeite im Moment an einer Prioritätenliste. Aber eigentlich ist diese Koordinationsarbeit auch nicht allein Aufgabe des Roten Kreuzes. Doch waren die lokalen Behörden anfangs eben auch gnadenlos überfordert. Die Gemeinden, aber auch die Provinzbehörden und auch die Wallonische Region haben auch erst jetzt ein klareres Bild von der Lage.
Die Organisation der Hilfe verbessere sich mit jedem Tag, sagt Philippe Vandekerckhove; das dauere eben ein bisschen. "Wir müssen aber die Lehren daraus ziehen", mahnt Philippe Vandekerckhove. Und seine erste Diagnose lautet, dass Belgien strukturell auf Katastrophen eines solchen Ausmaßes nicht eingestellt ist.
Philippe Vandekerckhove meint damit unter anderem auch die Tatsache, dass sich verschiedene Machtebenen in Belgien allzu häufig überlappen. Im Grunde sieht man hier natürlich auch gleich Parallelen mit den Feststellungen, die man auch schon während der Corona-Krise gemacht hatte.
Nur: Gilt das nicht auch für das Rote Kreuz, das ja in Belgien auch in drei Unterabteilungen aufgespalten wurde? "Wissen Sie", sagt Philippe Vandekerckhove ,"wir folgen nur der Staatsstruktur; wir beeinflussen sie nicht".
Jetzt jedenfalls versuche man, die Kräfte bestmöglich zu bündeln, sagt Philippe Vandekerckhove. Und die Spender können sicher sein, dass alles Geld integral an die Flutopfer gehen wird. Erstmal muss es darum gehen, dass alle Betroffenen wieder unter menschenwürdigen Bedingungen leben können. Der Wiederaufbau wird aber noch viel Zeit brauchen. Und wir werden das Geld und den Einsatz der Freiwilligen noch lange nötig haben. "Das ist kein Sprint, sondern ein Marathon."
Roger Pint
Langsam verzweifle ich, seit der Katastrophe habe ich meine Schwiegertochter mit vier Kindern bei uns aufgenommen, wir versuchen seit Tagen irgendwelche Hilfe zu bekommen vom Roten Kreuz, die sind aber scheinbar abgetaucht mit den 30 Millionen.. Diese Familie hat alles verloren, im Haus ist nichts mehr zu retten, das Auto voll Wasser, unbrauchbar, aber niemand ist zuständig wenn man anruft. Die einzige Hilfe kommt von Freunden und Bekannten, die mittlerweile Möbel und Notwendiges sammeln. Wie soll eine Familie da jeh wieder rausfinden? Die Raten vom Haus und Auto laufen weiter? Es ist nicht zu glauben..