Es sind fast die gleichen Bilder wie vor knapp zwei Wochen im Raum Lüttich. Chaos und Verwüstung. "Jetzt ist Namur und Dinant der Himmel auf den Kopf gefallen". Diese Schlagzeile von La Libre Belgique bringt es wohl auf den Punkt.
Wobei die Situationen nicht immer hundertprozentig vergleichbar sind. In Dinant etwa war es kein Flusslauf, der über die Ufer getreten wäre und so die Zerstörung angerichtet hätte. Vielmehr hat sich offensichtlich auf dem Plateau über der Stadt ein Sturzbach gebildet.
"Es gab ein Gewitter mit unglaublichen Regenmengen", sagte Axel Tixhon, der Bürgermeister von Dinant, in der RTBF. "In der Folge muss es wohl einen Erdrutsch gegeben haben, und das Wasser hat sich dann auf den Weg ins Tal gemacht. Nun ist das natürlich nicht das erste Gewitter in der Region. So etwas wie an diesem Samstagabend haben wir aber noch nie gesehen."
Einige Ortschaften hat es besonders übel erwischt. Sie waren schon bei der Unwetterkatastrophe vom 14. und 15. Juli ziemlich in Mitleidenschaft gezogen worden. Und sie haben auch diese Welle voll abbekommen. Manchmal sind die Schäden noch schlimmer als vor 10 Tagen.
Unwetterwarnung erneuert
Wenn die Zerstörungen auch wieder enorm sind, so waren die Überschwemmungen an sich eigentlich in den meisten Fällen eher von kurzer Dauer. Die Aufräumarbeiten konnten schon gestern unter Hochdruck anlaufen. Doch war das auch nötig. Zumindest mussten die Flussläufe und auch Abwasserkanäle schnellstens freigemacht werden.
Denn seit Sonntag gilt schon wieder eine neue Unwetterwarnung. Die wurde am Montag dann nochmal erneuert. Das Königliche Meteorologische Institut warnt vor einer Gewitterfront, die sich von der Küste aus ostwärts bewegt. Stellenweise sei mit heftigen Unwettern und mitunter recht ergiebigen Regenfällen zu rechnen.
In Westflandern gilt Code Orange, in den übrigen Landesteilen immerhin auch schon wieder Code Gelb. Das KMI prognostiziert Regenmengen von bis zu 30 Litern pro Quadratmeter. Das ist zwar eher bescheiden im Vergleich zu dem, was vor knapp zwei Wochen heruntergekommen ist. Angesichts vielerorts gesättigter Böden und der immer noch stellenweise blockierten oder beschädigten Abwasserkanäle ist aber insbesondere in den Katastrophengebieten Wachsamkeit geboten.
Inzwischen mehren sich die Stimmen, die eine Neubesinnung fordern. In der Zeitung Le Soir plädieren vier namhafte Experten für eine völlig neue Raumordnungspolitik in der Wallonie. Viele der Rezepte, die die Fachleute in den Raum stellen, sind eigentlich längst bekannt. Zum Beispiel müsse man den Flüssen wieder mehr Raum geben: Natürliche Überschwemmungsgebiete in den Flussauen können als Puffer dienen.
Nur müsse das jetzt auch wirklich zur Richtschnur für die Politik werden, fordern die Forscher. Und das bedeutet dann im Umkehrschluss zum Beispiel, dass man die verwüsteten Landstriche entlang der Flussläufe nicht mehr so wiederaufbaut, wie sie vor der Katastrophe aussahen.
Neue Wege in der Raumordnung
Natürlich seien das keine populären Entscheidungen, die es da zu treffen gelte. Nur müsse man den Realitäten ins Auge sehen: Durch den Klimawandel würden Unwetterkatastrophen wie die in den letzten beiden Wochen wesentlich wahrscheinlicher. Und technische Vorkehrungen alleine würden wohl nicht reichen, um das Hochwasserrisiko vollends entschärfen zu können.
Aber nicht nur entlang der Wasserläufe muss man umdenken. Insgesamt muss man bei der Raumordnung ganz neue Wege gehen. In Flandern fasst man das alles unter dem Schlagwort "Betonstopp" zusammen. Wobei der bislang auch nur halbherzig umgesetzt wurde. Die bebauten Flächen dürfen nicht mehr größer werden. Im Gegenteil: Eigentlich müssten sie verkleinert werden.
Fazit der Experten: Die Wallonie und vor allem ihr Verhältnis zum Wasser müssen überdacht werden. Und das müsse einhergehen mit entschlossenen, eigentlich radikalen Entscheidungen.
Roger Pint