Die Aufnahmen der Leiche Jürgen Conings sind mit sensationsheischenden Überschriften auf der Webseite einer großen deutschen Boulevardzeitung veröffentlicht worden. Gegen Bezahlung konnten Leser sich an den grausamen Details weiden.
Das hat in Belgien umgehend für Unverständnis und Abscheu gesorgt, bis hoch zum föderalen Justizminister. Minister Van Quickenborne rief die belgischen Medien außerdem explizit dazu auf, die Aufnahmen nicht zu zeigen und aus Respekt vor Conings' Familie auch keine näheren Angaben zu der Zeitung zu machen.
Ins Visier der Sicherheitsbehörden ist umgehend der Jäger geraten, der Conings Leiche gefunden hatte. Die Staatsanwaltschaft von Limburg hat ein Verfahren gegen den Mann eröffnet. Der 64-jährige Limburger Jäger dementiert aber, die Aufnahmen verkauft zu haben und beschuldigt seinerseits einen Polizeibeamten, der auch am Fundort gewesen sein soll. Wie glaubwürdig diese Beteuerungen sind, ist zumindest fragwürdig.
Denn der Jäger gibt zu, gefilmt und fotografiert zu haben und in Kontakt mit einem Journalisten der Zeitung gewesen zu sein. Laut Gazet van Antwerpen und Het Nieuwsblad ist er auch sehr stolz über die zahlreichen auch internationalen Interviews, die er geben durfte. Dass Pietät wohl nicht zu seinen Stärken gehört, das wird aus seinen diesbezüglichen Aussagen jedenfalls schnell offensichtlich.
Mittlerweile ist die belgische Justiz auf Anweisung von Minister Van Quickenborne in Kontakt mit den deutschen Behörden, um zu versuchen, die Bilder von der Webseite löschen zu lassen.
Strafgesetzbuch veraltet
Dabei soll es allerdings nicht bleiben. Der Justizminister will, dass unter anderem das Anfertigen unerwünschter Aufnahmen von Leichen beziehungsweise körperlichen Überresten ein Straftatbestand wird. Das hat Van Quickenborne am Dienstagmorgen bei Radio Eén erklärt.
Denn das Problem ist: Noch ist Leichenschändung nicht im belgischen Strafgesetzbuch aufgeführt und damit an sich nicht strafbar - im Gegensatz zu Grabschändung. Letzteres würde etwa schon greifen, wenn es sich um einen aufgebahrten Leichnam gehandelt hätte. Das alte Strafgesetzbuch stammt ja aus dem Jahr 1867 und ist damit in vielerlei Hinsicht natürlich hoffnungslos veraltet, wie Van Quickenborne betont.
Deswegen werde aktuell an einer generellen und grundlegenden Überarbeitung der Gesetztestexte gearbeitet. Damit sollen dann unter anderem eben auch Grabschändung und Leichenschändung auf die gleiche Stufe gestellt werden. Experten seien dabei, die Gesetzesentwürfe abzuklopfen, damit das Projekt zunächst durch den Ministerrat könne, um dann hoffentlich gegen Ende des Jahres vor das Parlament zu kommen.
Was Menschen drohen könnte, die dann Aufnahmen von Toten anfertigen, verbreiten oder weiterverbreiten, das ist noch offen. Der Justizminister geht aber von einer klassischen Gefängnisstrafe und Geldbuße aus, auch wenn die Höhe noch festgelegt werden müsse.
Rechte am eigenen Bild
Wenn aber Leichenschändung aktuell wie vom Justizminister bestätigt gar kein Straftatbestand ist, warum wird dann gegen denjenigen ermittelt, der die Bilder des toten Conings verkauft haben soll? Da zieht der Justizminister zwei Vergleiche heran, nämlich die der sogenannten Rachepornos und das Fotografieren von Verkehrsopfern.
Es gebe zwar in der Tat keinen Straftatbestand der Leichenschändung, aber es werde untersucht, wofür die Person belangt werden könne. Die Limburger Staatsanwaltschaft geht hier zum Beispiel von einer möglichen Verletzung des Rechts auf Privatsphäre und der Rechte am eigenen Bild aus – die dann sogar für Verstorbene gelten würden.
Am Ende sei es dann der Richter, der darüber urteilen müsse, unterstreicht Van Quickenborne. Er möchte, dass diese Grauzone beziehungsweise Undeutlichkeit beseitigt wird. Wenn Leichenschändung als Straftatbestand in das Gesetzbuch aufgenommen sei, dann werde es einfacher, Personen dafür zu verfolgen.
Boris Schmidt