Sonne satt. Die Terrassen voll. Auch in den Parks tummeln sich die Menschen. Und alle haben sie ein breites Lächeln auf den Lippen... Endlich mal ein sommerliches Wochenende! Naja, Sommer... Ein bisschen kalt war es schon. Aber, man will ja nicht wählerisch sein...
Und entsprechend wollten viele dann auch endlich mal von den geltenden Lockerungen profitieren. Denn: Auf der Terrasse bei Regen bzw. doch herbstlichen Temperaturen, wie wir sie seit dem Inkrafttreten der Öffnungen gekannt hatten, das war dann doch nur halb so schön...
Parallel dazu scheint auch aus epidemiologischer Sicht die Sonne. Die Zahl der täglichen Krankenhausaufnahmen ist unter die Schwelle von 90 gesunken. Auf den Intensivstationen liegen doch deutlich weniger als 500 Patienten, nämlich noch 443. Die Zahl der Neuinfektionen ist wieder um ein Viertel gesunken.
Und dann hatte Premierminister Alexander De Croo am Wochenende noch eine weitere gute Neuigkeit zu verkünden. "Jeder zweite Erwachsene in Belgien hat inzwischen mindestens eine Impfung erhalten", sagte De Croo auf Twitter. Mit dieser Zahl verbunden sei sehr viel Hoffnung:
Insgesamt muss sich das für viele fast schon wie der Beginn der Rückkehr zur Normalität angefühlt haben. Und genau auf diesem Weg steht ja in der kommenden Woche schon die nächste Etappe an. Am 9. Juni treten neue Lockerungen in Kraft. So dürfen Horeca-Betriebe ja dann auch wieder Gäste in Innenräumen bewirten. Auch Fitnesscenter können wieder öffnen. Und Innenveranstaltungen mit bis zu 200 Teilnehmern sind wieder erlaubt.
Der Entwurf der entsprechenden ministeriellen Verordnung sieht aber auch die weitgehende Aufhebung der Kontaktbeschränkungen vor. Sprich: Eigentlich kann man wieder so viele Menschen empfangen, wie man will. Und es darf auch wieder hemmungslos "geknuffelt" werden. Das allerdings gilt nur für den privaten Rahmen. Im Öffentlichen Raum, also auch etwa in Schulen oder in öffentlichen Verkehrsmitteln, bleiben die geltenden Abstandsregeln und auch die Maskenvorschriften in Kraft.
Dennoch: Die geplante Aufhebung der Kontaktbeschränkungen bereitet den Gesundheitsexperten doch ziemliche Bauchschmerzen. Offensichtlich wurden sie nicht um ihre Meinung gebeten. Hätte man das getan, so sagte der Virologe Marc Van Ranst in der VRT, hätte man Gesundheitsexperten gefragt, dann hätten die wohl empfohlen, mit solchen Lockerungen noch sechs bis acht Wochen zu warten. Denn, nicht vergessen: Die indische Variante ist dabei, in Europa Fuß zu fassen:
Marc Van Ranst war freilich telefonisch zugeschaltet, er muss sich ja immer noch an einem geheimen Ort aufhalten wegen der Bedrohung durch den mutmaßlichen Rechtsterroristen Jürgen Conings.
Und Van Ranst ist nicht die einzige mahnende Stimme. Es gibt warnende Beispiele, sagte auch der Sciensano-Sprecher Yves Van Laethem in der RTBF. In Israel oder in Chile hat man auch so ein Gefühl der Euphorie gekannt, wie wir es jetzt erleben. Dann kommt irgendwann der Moment, in dem man glaubt, dass alles wieder erlaubt ist. In der Folge sind die Infektionszahlen in diesen Ländern dann wieder gestiegen.
Innenministerin Annelies Verlinden steht aber zu der Entscheidung. Die CD&V-Politikerin zeichnet ja für den Entwurf der ministeriellen Verordnung verantwortlich. "Wir wollen dem Bürger jetzt wieder seine Eigenverantwortung zurückgeben", sagte Verlinden in der VRT. "Es ist so: Wenn wir bei den sehr strengen Vorschriften bleiben, die dann aber kaum noch befolgt werden, und die auch nicht durchgesetzt werden können, dann besteht diese entschlossene Politik am Ende nur noch auf dem Papier. Und dann geht die Akzeptanz der Bürger endgültig verloren":
Anders gesagt: Man will jetzt wieder auf das Verantwortungsbewusstsein der Bürger setzen. Nach dem Motto: "Eigentlich wissen wir doch alle, wo die Grenzen liegen". Aber, um es mit den Worten von Marc Van Ranst zu sagen: Es bleibt ein Risiko, eine Wette auf die Zukunft. Der Einsatz: Die Frage, wie sorglos der Sommer letztlich wird...
Roger Pint