"Ja, man kann sagen, dass es eine Befreiung ist, aber Schritt für Schritt", sagte Premierminister Alexander De Croo in der RTBF. Genau gesagt umfasst der Weg zurück zu einer gewissen Normalität fünf Etappen. Der Startschuss fällt am 9. Juni. Dann sollen ja unter anderem die Horeca-Betriebe ihre Innenräume wieder für die Kunden öffnen dürfen. Ab dem 1. bzw. 30. Juli werden dann auch größere Veranstaltungen wieder möglich - innen wie außen.
Nach dem 13. August dürfen dann auch wieder Großereignisse unter freiem Himmel stattfinden. Das Pukkelpop-Festival, das - wohl nicht ganz zufällig - ein paar Tage später auf dem Programm steht, plant jetzt tatsächlich auch eine Auflage im Normalmodus, also mit über 60.000 Besuchern pro Tag.
Bedenken
Einigen Experten geht das zu schnell. Viel zu schnell. Professor Erika Vlieghe, die Vorsitzende des wissenschaftlichen Beratergremiums GEMS, äußerte am Mittwoch in mehreren Zeitungen ernste Bedenken. Die hatte sie anscheinend sogar noch in der Nacht vor dem Konzertierungsausschuss auch schriftlich den verschiedenen Entscheidungsträgern übermittelt. Grob gerafft: Sie und auch andere Experten sind der Ansicht, dass die verschiedenen Etappen zeitlich zu nah beieinander liegen, sie sich also zu schnell folgen.
Spätestens, als es um die Etappe des 13. August ging, soll auch Frank Vandenbroucke die Reißleine gezogen haben. Zumindest hat er das versucht. Die Vorstellung, dass ab dem 19. August 60.000 Menschen auf der Pukkelpop-Wiese zusammen feiern, die hat ihm offensichtlich Bauchschmerzen gemacht. Wie man liest und hört, soll Vandenbroucke aber mit dieser Meinung alleine dagestanden haben.
Selbst Alexander De Croo, mit dem er lange Zeit ein Tandem gebildet hat, wollte die Öffnung. Und das soll denn auch der Grund sein, warum Vandenbroucke nicht auf der Pressekonferenz war. In der VRT ließ sich Vandenbroucke am Abend dann aber nicht wirklich etwas anmerken. Klar, seine Bedenken hat er weiterhin. Er verstehe ja, dass sich die Menschen nach Freiheit sehnten, aber er verstehe auch die Sorgen des Krankenhauspersonals.
Aber, was diese Großereignisse ab Mitte August angeht: Da gebe es ja doch auch Sicherheitsriegel. Angefangen damit, dass ja ein "Covid-Safe-Ticket" eingeführt werden soll. Das wäre also eine Art Corona-Pass, der Auskunft darüber gibt, ob der Betreffende geimpft ist bzw. über einen negativen PCR-Test verfügt. Ohne dieses "Ticket" bekommt der Betreffende keinen Einlass.
Bedingungen
Abgesehen davon sind die verschiedenen Etappen des Sommerplans ja an Bedingungen geknüpft. Die wichtigste, das ist der Impfgrad. Also: zum Zeitpunkt der Lockerung muss jeweils ein gewisser Prozentsatz der Bevölkerung geimpft sein.
Er habe aber noch einen zweiten Parameter im Blick, sagte Vandenbrouck. Und zwar die Situation in den Krankenhäusern. In einem Arbeitsdokument der flämischen Regierung habe er interessante Zahlen gesehen: Anfang Juni muss demnach die Zahl der Krankenhausneuaufnahmen unter 150 liegen, Anfang Juli unter 100 und Anfang August unter 75. Diese Zahlen seien zwar nicht im Konzertierungsausschuss berücksichtigt worden, sagt Vandenbroucke auf Nachfrage. Aber, er für seinen Teil werde sie einrahmen und über sein Bett hängen. Das war dann doch so eine Art Retourkutsche des Vooruit-Gesundheitsministers. Nach dem Motto: Hier ist das letzte Wort noch nicht gesprochen.
Bei Alexander De Croo scheint er da aber offene Türen einzurennen. "Sollten im Sommer, wenn alle Bürger ein Impfangebot erhalten haben, immer noch 500 Patienten auf den Intensivstationen liegen, dann haben wir eine neue Situation", sagte der Croo. Denn: Im Moment weisen gerade die Krankenhauszahlen in die richtige Richtung. Wir sehen doch, dass die Impfungen dazu geführt haben, dass in den betreffenden Altersgruppen die covidbedingten Krankenhausaufenthalte rapide zurückgehen. Es sei die Impfkampagne, die jetzt für Trittsicherheit sorge. Und die es den Regierungen des Landes ermögliche, den Menschen - und auch den Veranstaltern von Events - eine Perspektive zu geben.
Roger Pint