Ein Bild, das in den letzten Tagen immer wieder die Runde macht, genauer gesagt seit Samstag, an dem die Terrassen der Cafés, Bars und Restaurants in Belgien endlich wieder aufgegangen sind, ist das vom Flaschengeist. Ist der Dschinn nämlich erst einmal herausgelassen worden, dann bekommt man ihn bekanntermaßen nicht wieder zurück in die sprichwörtliche Flasche.
Was anfangs wohl vor allem auf die Bevölkerung gemünzt war, weil es kein Halten mehr gab nach der Terrassenöffnung, das wird jetzt auch im Zusammenhang mit den politisch Verantwortlichen genutzt. Das ist doch arg ungewöhnlich, um es mal so auszudrücken. Denn zumindest vom Premierminister und ganz besonders vom föderalen Minister für Volksgesundheit sind wir doch sonst immer sehr zur Vorsicht mahnende Worte gewohnt.
Diese Einstellung scheint sich spätestens am letzten Wochenende aber eben geradezu bemerkenswert geändert zu haben. Damit könnte für den Konzertierungsausschuss am Dienstag vielleicht auch eine andere fast schon ewig scheinende Konstante wegfallen: der Streit zwischen der föderalen und der regionalen Ebene über die Geschwindigkeit der Lockerungen. Man sei sich über das generelle Konzept und die groben Linien einig, heißt es da etwa.
Die Motivation scheint eben für alle Regierungen des Landes dieses Mal die gleiche zu sein: am liebsten so viel wie möglich und so schnell wie möglich wieder erlauben. Was aber natürlich nicht heißt, dass nicht noch ausgiebig über Details und Bedingungen gestritten werden könnte.
Gesundheitsexperten warnen
Die einzigen, die da offenbar nicht wirklich mitspielen wollen, das sind die Gesundheitsexperten. Sie warnen vor zu vielen und zu frühen Lockerungen. Das ist zwar irgendwie ihre traditionelle Rolle. Aber sie haben durchaus Gründe, weiter zur Vorsicht zu mahnen. Da ist zum einen die Gefahr durch die Virus-Varianten, zuletzt vor allem der indischen Corona-Version. Außerdem sinken die Corona-Zahlen zwar, das stimmt, aber sie befinden sich noch immer auf einem hohen Niveau. Manche sagen eben auf einem noch zu hohen Niveau.
Es ist auch nicht wirklich von der Hand zu weisen, dass es aktuell nicht absehbar ist, wie sich die Wiederöffnung der Schulen, der Einkaufsstraßen und natürlich Terrassen auswirken wird. Denn sie alle haben zu einer deutlichen Erhöhung der Kontakte geführt - und damit potenziell zumindest zu einem erhöhten Ansteckungsrisiko.
Aber natürlich sind es nicht die Virologen und anderen Experten, die die Entscheidungen treffen, sondern die politisch Verantwortlichen - und die scheinen zumindest für Dienstag die Experten und ihre Warnungen etwas beiseite schieben zu wollen.
Man könne doch nicht warten bis nächstes Jahr, um wieder etwas Schönes im Leben tun zu dürfen, erklärte Premier Alexander De Croo am Sonntag in der VRT und bezog sich damit auf Einwände von unter anderem der Virologin Erika Vlieghe gegen den Vorstoß, im August in Belgien unter Auflagen vielleicht wieder große Festivals stattfinden zu lassen. Und Vlieghe ist ja die Vorsitzende des wissenschaftlichen Beratergremiums GEMS, das die Regierung berät.
Exit-Plan
Mit dem Punkt Festivals, beziehungsweise allgemeiner Kulturveranstaltungen vor großem Publikum ist man dann auch schon quasi mittendrin in der Liste der Dossiers, über die am Dienstag diskutiert und vielleicht entschieden werden könnte. Wobei man fast sagen muss, dass man wohl schneller wäre, wenn man die Corona-Einschränkungen aufzählen würde, über die wohl sicher nicht gesprochen wird. Denn dem Vernehmen nach ist die Agenda wirklich voll.
Ganz generell gesprochen wird es wohl vor allem um einen schrittweisen Exit-Plan für die nächsten Monate gehen. Auch wenn man da im Mai und Juni vermutlich noch behutsam bleiben wird, werden im Sommer, also ab Juli deutlich forschere Schritte erwartet. Einfach, weil immer mehr Menschen durch Impfungen geschützt sein sollten.
Das betrifft zunächst einmal etwa den Horeca-Sektor, weil der will nach den Terrassen ja auch seine Innenbereiche wieder öffnen. Was da unter welchen Konditionen ab wann möglich sein könnte, darüber wird wohl sicher gesprochen werden. Konkret stehen da als Orientierungspunkte angeblich der 1. oder der 9. Juni im Raum.
Wenn man bei der Gastronomie bleibt, dann hört man auch, dass das Verbot von Plexiglas-Trennschreiben zur Verringerung der Mindestabstände zwischen den Tischen auf den Terrassen am Dienstag wieder auf den Verhandlungstisch kommen könnte. Dieser Punkt und die Kommunikation darüber hatten ja für sehr viel böses Blut gesorgt. Ob die Verantwortlichen allerdings vom Mindestabstand abrücken werden, ob jetzt mit oder ohne Plexiglas, gilt zumindest als fraglich.
Ein anderes wichtiges Dossier könnten dann die erlaubten sozialen Kontakte sein. Hier wird darüber spekuliert, ob jeder zu Hause wieder mehr Gäste empfangen darf, und ob professionell organisierte Feste draußen und auch drinnen mit einer begrenzten Gästezahl stattfinden dürfen sollen. Auch Gottesdienste könnten so mit mehr Gläubigen vielleicht wieder erlaubt werden. Viele hoffen auch auf Lockerungen für Saunas, Kinos, Fitnessstudios, den Sport, Jahrmärkte und Ähnliches.
Ebenfalls auf der Tagesordnung könnte das verpflichtende Arbeiten von zu Hause aus stehen. Hier ist die Rede davon, ob die Menschen wieder tageweise an ihre Arbeitsstellen zurückkehren dürfen sollen.
Änderungen könnte es möglicherweise auch in puncto innereuropäische Auslandsreisen geben. Falls es bis dahin ein entsprechendes europäisches Covid-Zertifikat gäbe, könnte es nämlich durchaus sein, dass man nach einer Reise nicht mehr zwangsweise in Quarantäne beziehungsweise zum Test muss.
Und das sind noch längst nicht alle Punkte, über die am Dienstag im Konzertierungsausschuss angeblich gesprochen werden soll.
Boris Schmidt