Anfang letzter Woche ist ein rund 90-jähriger Mann in einem Alten- und Pflegeheim in Borsbeek in der Provinz Antwerpen an Covid gestorben. Wie sich mittlerweile herausgestellt hat, an der sogenannten indischen Variante. Drei weitere Bewohner und ein Mitglied des Personals sind ebenfalls infiziert, allerdings ist noch nicht bei allen die Variante bestätigt worden. Diese vier zeigen bisher nur leichte Symptome.
Was auf den ersten Blick besonders beunruhigend klingt, ist die Tatsache, dass der verstorbene Mann vollständig gegen das Coronavirus geimpft war. Denn das wirft natürlich Fragen über die Wirksamkeit der Impfung auf - zumindest gegenüber der indischen Variante.
Da gibt es gerade vor allem ein Problem: Man wisse einfach nicht besonders viel über diese Variante, erklärte der bekannte Virologe Johan Neyts am Montagmorgen bei Radio Eén. Er ist Professor am Rega-Institut der KU Löwen. Die Informationen aus Indien kämen nur sehr langsam und tröpfchenweise herein. Die Variante an sich sei dort erstmals im Oktober letzten Jahres dokumentiert worden. Die Lage sei aber sehr unübersichtlich. Man wisse natürlich, dass es in Indien gerade sehr viele Covid-Fälle gebe. Weil die indischen Behörden nach der ersten Corona-Welle den Eindruck gehabt hätten, alles unter Kontrolle zu haben, seien Ende Februar, Anfang März die Einschränkungen gelockert worden. Das und unter anderem hohe religiöse Hindu-Feste seien wohl zu einem großen Teil für die aktuelle Lage in Indien verantwortlich, so Neyts.
Aber was konkret die Gefährlichkeit der indischen Virus-Variante angehe, da sei die Datenlage sehr unvollständig. Nach jüngsten Erkenntnissen sei es wohl so, dass die indische Variante sehr ansteckend sei. Nach Schätzungen etwa 15 Prozent ansteckender als die britische Variante, die ihrerseits ja schon sehr ansteckend sei. Allerdings scheine die indische Variante nicht zu schwereren Krankheitsverläufen zu führen. Aber natürlich bedeute eine höhere Infektiosität, dass mehr Menschen krank würden, damit mehr Menschen in die Krankenhäuser müssten und letztlich auch mehr Menschen sterben würden.
Anhand der Erbinformation der indischen Variante habe man festgestellt, dass deren Mutationen teilweise mit denen der brasilianischen und südafrikanischen Varianten übereinstimmten. Deswegen habe man damit gerechnet, dass die Impfstoffe womöglich auch etwas schlechter gegen die indische Variante funktionieren könnten. Aber hier scheint es zumindest potenziell gute Nachrichten zu geben. Nach den ersten Ergebnissen scheinen die Vakzine besser gegen die indische Variante zu wirken als zunächst befürchtet.
Todesfall nicht überbewerten
Die Bedeutung des Todesfalls in dem Altenheim in Borsbeek will Neyts nach aktuellem Kenntnisstand auch nicht überbewerten. Das sei natürlich eine persönliche Tragödie für die Angehörigen. Aber leider wirke keine Impfung immer und zu hundert Prozent. Es gebe immer wieder Patienten, bei denen ein Impfstoff weniger gut wirke. Das sei auch bei anderen Impfungen so. Dieses Phänomen habe man auch bei anderen Corona-Varianten bereits feststellen müssen. Deswegen werde man auch weiter mit kleineren Ausbrüchen wie diesem rechnen müssen. Vor einigen Monaten - vor der Impfkampagne - hätte so ein Infektionsherd wie in Borsbeek vermutlich wie ein Lauffeuer um sich gegriffen, ist Neyts überzeugt.
Wie die indische Variante in das Altenheim gelangt sein könnte, ist noch völlig unklar. Bei keinem der Infizierten gibt es eine Verbindung nach Indien. Hinzu kommt, dass bis Sonntagabend 19 weitere Fälle der indischen Variante in Belgien in Stichproben nachgewiesen worden sind. Dies vor allem bei Menschen aus dem Raum Antwerpen und Brüssel. Die indischen Studenten, bei denen die Variante im April nachgewiesen wurde, sind hierbei wohlgemerkt nicht berücksichtigt. Bei diesen 19 anderen Fällen sei nur in der Hälfte der Infektionen irgendeine Verbindung mit Indien gefunden worden. Bei der anderen Hälfte tappe man im Dunkeln.
Das bedeutet eben, dass die indische Variante in Belgien zirkuliere - wohl stärker als bisher angenommen. Aber andererseits spreche man trotz einer relativ hohen Zahl von stichprobenartigen Überprüfungen von einer sehr kleinen Zahl bestätigter Fälle, unterstreicht Neyts.
Inwiefern sich das aber auswirken werde, das sei sehr schwer vorherzusagen. Man gehe davon aus, dass die indische Variante zumindest in einem Teil Indiens die britische Variante sehr schnell verdrängt habe. Aber dort sei auch nicht großflächig geimpft worden. Deswegen könne man auch nicht sagen, welche Auswirkungen die belgische Impfkampagne auf eine potenzielle Ausbreitung der indischen Variante hierzulande haben könne, betont der Virologe.
Boris Schmidt