Die Sturmwolke, die am Freitagmorgen für den Horeca-Sektor aufgetreten ist, hat einen Namen. Nämlich Vincent Van Quickenborne, Open-VLD-Vizepremier und Justizminister des Landes. Der hat sich nämlich am frühen Freitagmorgen bei Radio Eén zu einer spezifischen Bedingung für die Wiederöffnung der Terrassen geäußert.
Es herrsche da offensichtlich Verwirrung bei den Betroffenen vor Ort, so der Justizminister. Verwirrung über den Punkt Plexiglasscheiben. Gemeint sind da die Trennscheiben und -wände aus eben meist Plexiglas, die wir seit Beginn der Pandemie von vielen Orten kennen. Was die Terrassen angeht, so sind diese in der Vergangenheit eingesetzt worden, um die Tische und damit Personengruppen räumlich voneinander zu trennen, um das Ansteckungsrisiko zu verringern.
Wenn man sich diese Praxis genauer anschaue, dann scheine die durchaus mit Risiken verbunden zu sein, so Van Quickenborne. Bei Terrassen, die auf diese Weise ziemlich geschlossen seien, sei die Luftzirkulation viel geringer als wirklich draußen, an der offenen Luft. Und wenn die Menschen dann zu dicht aufeinandersäßen, dann könne das ein Ansteckungsrisiko bedeuten. Deswegen werde im neuen Erlass stehen, der erscheinen werde, wenn der Staatsrat ihn abgesegnet habe, dass Plexiglas nicht erlaubt sei und dass der Abstand von anderthalb Metern zwischen den Tischen eingehalten werden müsse.
Diese Aussage kann man nur als wirklich eiskalte Dusche bezeichnen. Denn vielleicht nicht alle, aber doch ein beträchtlicher Teil der Terrassenbetreiber war vom Gegenteil ausgegangen, sprich dass sie am Samstag mit den durch Plexiglas voneinander abgeschirmten Tischen an den Start gehen könnten. Das hätte nämlich einen ganz entscheidenden Vorteil gehabt: Die Gastronomen glaubten, dass sie dann nicht die vom letzten Konzertierungsausschuss festgelegten anderthalb Meter Abstand einhalten müssten. Geringere Abstände bedeuten natürlich mehr Tische auf der gleichen Fläche - und damit mehr Einnahmen für den doch großen Aufwand, der betrieben werden muss.
Eines muss man auch ganz klar festhalten: Diese Annahme des Horeca-Sektors hatte eine gewisse Logik. Im letzten Protokoll, das dem Sektor zugegangen war, stehen die Plexiglasscheiben nämlich als Option drin. Der Haken: Der ministerielle Beschluss der föderalen Innenministerin Annelies Verlinden (CD&V), der verbindlich die Konditionen der Wiederöffnung regelt, ist noch nicht veröffentlicht worden. Das Protokoll, das aktuell unter den Gastronomen zirkuliere, sei einfach nur eine Kopie des Protokolls für die Wiederöffnung im letzten Sommer, unterstrich Justizminister Van Quickenborne. Der neue Erlass werde Plexiglas explizit untersagen.
Unverständnis und Wut
Diese Ankündigung des Justizministers, weniger als 24 Stunden vor der Wiederöffnung, hat vorhersehbar zu Unverständnis und Wut bei den Betroffenen geführt. Das sei ein ziemlicher Kater, mit dem man da am Freitagmorgen aufgewacht sei, beschwerte sich etwa Kevin Van der Auwera, der Vorsitzende von Horeca Löwen. Die Aussagen Van Quickenbornes seien nicht nur mental ein ziemlicher Schlag, sondern auch finanziell. Denn viele Betreiber hätten bis zuletzt viel Geld investiert in solche Plexiglasscheiben. Und jetzt würden sie plötzlich vor vollendete Tatsachen gestellt. Letzten Sommer sei das kein Problem gewesen und jetzt seien - im Gegensatz zur letzten Wiederöffnung - doch auch viele Menschen geimpft.
Der Vorsitzende von Horeca-Flandern, Matthias Decaluwé, gibt sich aber noch nicht geschlagen. Solange der ministerielle Beschluss noch nicht veröffentlicht sei, so lange handele es sich lediglich um eine Ankündigung. Bis dahin bleibe die Hoffnung bestehen, dass diese Entscheidung noch korrigiert werden könne. Er hoffe, dass sich der gesunde Menschenverstand doch noch irgendwie durchsetzen werde - gerade angesichts der getätigten Investitionen und der erfolgreichen Verwendung der Trennschirme im letzten Sommer.
So oder so sieht es jedenfalls danach aus, als ob es zumindest zunächst keine einheitliche Plexiglas-Politik geben wird. Sowohl der Bürgermeister von Gent als auch der von Löwen haben angesichts der kurzen Vorwarnzeit angekündigt, die Einhaltung dieser Vorgabe nicht umgehend erzwingen zu wollen. Aus anderen Städten und Gemeinden ist oft Ähnliches zu hören: Ja, man werde die Betreiber darauf hinweisen, dass sie anderthalb Meter Abstand zwischen ihren Tischen einhalten müssten. Und mit ihnen reden, wenn das anfangs nicht der Fall sei, so der Tenor.
Boris Schmidt