Erst mal ist es doch eine Erleichterung, dass es jetzt eine Einigung gibt, sagte Danny Van Asche, der Geschäftsführer des flämischen Selbständigenverbandes UNIZO. Tatsächlich hat die Regierung in der Nacht den Gordischen Knoten zerschlagen: Es bleibt bei einer allgemeinen Lohnerhöhung von 0,4 Prozent, zuzüglich Index.
Diese 0,4 Prozent, das entspricht der sogenannten Lohnnorm und die ist quasi gesetzlich festgelegt. Sie berechnet sich nämlich nach der Entwicklung der Löhne und Gehälter in den Nachbarländern. Damit soll, grob gesagt, die Wettbewerbsfähigkeit der belgischen Unternehmen gewahrt werden. Eben aus all diesen Gründen sei es gut, dass es bei diesen 0,4 Prozent geblieben ist, sagt Danny Van Asche.
0,4 Prozent, den Gewerkschaften war das zu wenig. Daran sind die Verhandlungen mit den Arbeitgebern letztlich auch immer gescheitert.
Im Raum stand deshalb auch schon seit einiger Zeit die Idee, dass man in gewissen Sektoren eine Prämie an die Arbeitnehmer ausschütten könnte. Auch darüber hatten sich die Sozialpartner aber nicht einigen können. Und jetzt spricht die Regierung auch hier ein Machtwort: Eine Prämie von bis zu 500 Euro netto kann dort ausgezahlt werden, wo man gut durch die Krise gekommen ist.
Nur steckt hier anscheinend der Teufel im Detail. "Die Auszahlung dieser Prämie kann sowohl in den einzelnen Betrieben geregelt werden, als auch auf Sektorebene", betonte der PS-Arbeitsminister Pierre-Yves Dermagne in der RTBF:
Diesen Unterschied zu machen, das ist wesentlich mehr als Wortklauberei. Wenn die Auszahlung einer Prämie für einen ganzen Sektor festgelegt wird, dann muss das auch in allen angeschlossenen Unternehmen zwingend erfolgen. Wenn dagegen die Prämie jeweils in den einzelnen Betrieben verhandelt werden muss, dann könnte das am Ende vor allem in kleineren Unternehmen ohne Gewerkschaftsvertretungen am Ende nicht passieren.
Genau das befürchtet auch Pia Stalpaert von der christlichen CSC. "Deswegen haben wir denn auch bis zum letzten Moment für Branchenabkommen gekämpft", sagte auch Miranda Ulens von der sozialistischen Gewerkschaft FGTB. Damit auch die Arbeitnehmer, die über keine Stimme verfügen, damit auch die ihren Teil vom Kuchen abbekommen:
Also: Laut Pierre-Yves Dermagne sind solche Branchenabkommen möglich, und auch die flämische Schwesterpartei Vooruit hat das schon unterstrichen. Aus dem Mund des CD&V-Finanzministers Vincent Van Peteghem hörte sich das aber in der VRT ein bisschen anders an. Branchenabkommen seien zwar prinzipiell möglich. "Wir wollen das aber wirklich von der Situation in den einzelnen Unternehmen abhängig machen", sagt Van Peteghem. "Wir müssen nämlich aufpassen, dass wir nicht über Branchenabkommen einigen Betrieben Mehrkosten aufs Auge drücken, die die nicht stemmen können."
Heißt also: Branchenabkommen sind eigentlich nur möglich, wenn auch wirklich alle Unternehmen einverstanden sind. Die Arbeitgeber können das nur begrüßen. Nicht vergessen: Wir erleben gerade die schlimmste Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten, sagte Danny Van Asche von UNIZO. Aber, er sei davon überzeugt, dass man die Geschäftsführer von Unternehmen, die gut durch die Krise gekommen sind, dass man die auch noch lange überzeugen oder gar zwingen müsse. Gerade in Kleinen und Mittleren Unternehmen hätten die Chefs einen sehr direkten Draht zu ihren Mitarbeitern.
Die Gewerkschaften sind davon nicht überzeugt. Und, wenn man die Hurra-Reaktionen der Arbeitgeber höre, naja, da könne man sich den Rest ja denken, sagt Miranda Ulens von der FGTB.
Die Regierung betrachtet das Ganze nach Worten von Pierre-Yves Dermagne aber immer noch als ein "Schlichtungsangebot".
Das Paket umfasst im Übrigen auch noch andere Aspekte. So sollen die Sozialpartner gemeinsam an einer schrittweisen Erhöhung des Mindestlohnes arbeiten. Die Regierung ist bereit, hier ihren Beitrag zu leisten, etwa durch eine entsprechende Senkung der Lohnnebenkosten.
Nur auch da scheinen bei den Sozialpartnern die Standpunkte nach wie vor sehr weit auseinanderzuliegen.
"Wir haben unsere Verantwortung übernommen", lobte Finanzminister Van Peteghem die Einigung der vergangenen Nacht. Zumal das Ganze auch als Stresstest für die Regierung galt, weil sich hier insbesondere Liberale und Sozialisten doch naturgemäß sehr uneins waren. Nun, die Frage ist, ob das reichen wird...
Roger Pint