Wieder eine ausgelassene Party im Bois de la Cambre, die gegen Abend in rohe Gewalt umgeschlagen ist. Wieder schwere Zusammenstöße zwischen Unruhestiftern und der Polizei. Wieder eine "offene Feldschlacht", wie es einige Medien genannt hatten. La Boum 2 glich in vielerlei Hinsicht der ersten Auflage von vor einem Monat.
Mit dem einen Unterschied, dass das am Samstag, mehr noch als bei der ersten Auflage quasi mit Ansage kam. Natürlich gab es auch diesmal diejenigen, die einfach nur auf ihre Art friedlich protestieren wollten; protestieren gegen die Corona-Einschränkungen, und zwar mit einer lauten Party, zumindest galt das für die jüngeren unter ihnen.
Von Anfang an war aber klar, dass diese "Boum" auch Krawallmacher aller Art anziehen würde. Schnell sah man im Bois de la Cambre denn auch die, sagen wir, "üblichen Verdächtigen", unter die sich auch Fußball-Hooligans gemischt hatten. Genauso beschrieb in der RTBF auch llse van de Keere, die Sprecherin der Brüsseler Polizei, die Menschen, die am Samstag in den Park gekommen waren.
Auf der anderen Seite: Ein massives Polizeiaufgebot. Von bis zu 700 Einsatzkräften ist die Rede, unterstützt von mindestens vier Wasserwerfern, berittenen Einheiten, Drohnen und Polizeihunden. Und dann kam es, wie es kommen musste. Erst entstand Streit unter den Teilnehmern, dann schritt die Polizei ein und es kam wieder zu einer regelrechten Gewaltexplosion. 15 Menschen wurden verletzt, 12 mussten im Krankenhaus behandelt werden, darunter vier Polizisten.
Insgesamt 132 Menschen wurden festgenommen. Gegen fünf von ihnen wurden strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet. "Einer von ihnen hat die Ordnungskräfte mit einem Hammer bedroht, ein anderer mit einem Messer", sagte Polizeisprecherin Ilse van de Keere in der VRT. Dann sei auch noch ein Molotowcocktail auf die Einsatzkräfte geworfen worden, der aber zum Glück nicht explodiert sei.
Doch auch hier scheint es in gewisser Weise zwei Seiten zu geben. Denn: Später tauchten in Sozialen Netzwerken Videos auf, auf denen Polizisten zu sehen sind, die auch nicht wirklich zimperlich auftreten. Ein Film zeigt, wie ein Beamter - ohne lange zu fackeln - einer Frau Pfefferspray ins Gesicht spritzt. Das scheinbar ohne wirklichen Anlass. Die Frau hatte wohl einfach nur etwas laut ihren Unmut zum Ausdruck gebracht. Am Anfang des Ausschnitts hört man das Sprühen des Pfeffersprays.
Konsternierte Reaktionen der Umstehenden! "Spinnst Du?", wendet sich ein Passant an den Polizisten. "Die Frau hat Ihnen doch nichts getan". Und das ist nicht das einzige Video dieser Art. Die Zeitung Het Nieuwsblad geht sogar so weit und schreibt, dass einige Polizisten offensichtlich auch eine Abschussliste geführt haben.
"Sie habe die Filme ebenfalls gesehen", sagte Innenministerin Annelies Verlinden in der VRT. Und ihrer Ansicht nach sei es durchaus angebracht, diese Bilder in den nächsten Tagen mal ausgiebig zu analysieren, um zu ermitteln, ob die Gewalt, die auf beiden Seiten eingesetzt wurde, ob die wirklich verhältnismäßig war. Die Bilder würden polizeiintern untersucht, es sei aber noch zu früh für ein abschließendes Urteil, sagt die Innenministerin. Ein Nachspiel hat das Ganze also womöglich nicht nur für die fünf Unruhestifter, gegen die ermittelt wird, sondern auch für den einen oder anderen Beamten.
Das vergangene Wochenende hat im Grunde nur noch mal anschaulich gezeigt, wie sehr viele Menschen inzwischen die Nase voll haben. Und da fällt die Bilanz unterm Strich letztlich noch vergleichsweise positiv aus, so paradox das klingen mag. Die Zeitung Le Soir jedenfalls ist der Ansicht, dass es angesichts des wachsenden Unmuts durchaus hätte schlimmer kommen können.
Aufgerufen zu La Boum 2 hatte ja das Kollektiv "L'abîme" (der Abgrund). Diese Leute haben den Namen in gewisser Weise gekapert. Die erste Auflage war noch von einer anderen Gruppe organisiert worden. L'abîme scheint aber Gefallen daran gefunden zu haben, denn heute wurde schon "La Boum 3" angekündigt. Die soll in einem Monat, am 29. Mai, stattfinden - vielleicht nach dem Motto "aller schlechten Dinge sind drei".
La Boum 2 - Bilder von mutmaßlich unverhältnismäßiger Polizeigewalt werden untersucht
Roger Pint