Deborah, die Supermarkt-Kassiererin aus Nieuwpoort, auf die Vooruit-Chef Conner Rousseau verwiesen hatte... Deborah, der nicht darzulegen sei, warum ihr Unternehmen Dividenden auszahle, für sie aber nichts übrig bleibe...
Diese Deborah - ob sie nun existiert oder nicht - war auch in der Kammer in aller Munde. "Die Deborahs in diesem Land, die Kassiererinnen, sie wollen mehr als die mickrigen 0,4 Prozent", wetterte etwa Raoul Hedebouw von der marxistischen PTB. Da spricht der Vertreter einer Oppositionspartei.
Nur: Aus dem Mund des PS-Fraktionsvorsitzenden Ahmed Laaouej klang das genauso - und seine Partei ist Teil der Mehrheit. Einziger Unterschied: Er sprach nicht von Deborah. Die Arbeiter in diesem Land verdienen mehr. Sie verdienen Anerkennung. Sie verdienen soziale Gerechtigkeit. Sie verdienen jedenfalls nicht eine derartige Verachtung von Seiten der Arbeitgeber.
"Herr Premierminister: Es gibt Betriebe, die trotz oder wegen der Krise gute Geschäfte gemacht haben", sagte auch Melissa Depraetere von Vooruit. "Können Sie mir erklären, warum der Gewinn einzig an die Anteilseigner gehen soll? Und nicht an all die Menschen, die in den letzten Monaten dafür gesorgt haben, dass das Land weiter dreht."
Vooruit ist ja auch Teil der Koalition. Gleiches gilt für die Grünen, und die schlugen auch in die rote Kerbe: "Die Menschen, die in der schlimmsten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg das Land über Wasser gehalten haben, verdienen mehr als einen Zuschlag von zehn Euro brutto", sagte Evita Willaert von Groen.
Verschiedene Standpunkte
Kopfschütteln bei Nathalie Muylle von der CD&V, die ja auch Teil der Regierung ist. Sie könne nur feststellen, dass vier Koalitionsfraktionen vom gemeinsam festgelegten Kurs abwichen, sagte die frühere Arbeitsministerin. "Einige Parteien halten es für nötig, wieder die Deborahs dieser Welt ins Feld zu führen."
Da, wo Nathalie Muylle noch zur Mäßigung aufrief, da fällte die rechte Opposition natürlich ein viel schärferes Urteil. Die Gewerkschafter haben natürlich schon einen dicken Hund produziert, indem sie den Stecker aus den Verhandlungen gezogen haben, giftete Björn Anseeuw von der N-VA. "Das ist aber noch gar nichts im Vergleich zu den Mitgliedern ihrer eigenen Koalition, wandte er sich an den Premier. Und lassen Sie sich nicht beirren", appellierte Anseeuw: "Wenn Sie sich echt Sorgen machen um den Job von Deborah, dann sorgen Sie dafür, dass die Löhne nicht entgleisen. Tun Sie das nicht, dann sind es eben die Jobs der Deborahs dieser Welt, die als erste verschwinden".
"Denn", so hakte der fraktionslose Jean-Marie De Decker ein, "das Gerede von den 0,4 Prozent, das ist doch scheinheilig! In Wahrheit sind es 3,2 Prozent, da Belgien ja zu den letzten Ländern gehört, in denen es noch eine Lohn-Index-Kopplung gibt".
Die Kammer, wohl als Spiegelbild der Tarifverhandlungen: zwei Standpunkte, die sich diametral gegenüberstehen.
Aufruf zur Einheit
Entsprechend machten Premierminister Alexander De Croo und sein Arbeitsminister Pierre-Yves Dermagne das, was man als Regierung in solchen Momenten machen muss: Sie riefen zur Einheit auf. "Es geht nicht nur um Deborah, die in einem Supermarkt arbeitet, es geht auch um Caroline, die ein Schuhgeschäft betreibt und der auch der Himmel auf den Kopf gefallen ist", sagte De Croo.
Anders gesagt: Wir müssen da zusammen durch oder wir gehen zusammen unter. Nur gemeinsam werden wir diese Krise überwinden. Nicht, indem wir die Gegensätze hervorheben.
Er habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass die Sozialpartner doch noch zu einer Einigung gelangen, sagte Pierre-Yves Dermagne. Die Regierung tue jedenfalls alles, um die Standpunkte unter einen Hut zu bekommen. Und, wenn es ein Abkommen gibt, dann kann es nur von Solidarität geprägt sein. Alles andere wäre keine Option.
Gescheiterte Tarifverhandlungen: Clash zwischen Sozialisten und Liberalen
Roger Pint
Warum sagt der Staat denn nicht mal: 0.4% sind eine Verar....
Warum nicht mal um 4,0% erhöhen??
...oder noch besser. Gleiches Recht für alle, also allen das selbe Gehalt wie es sich der Herr De Croo genehmigt ! Das wäre gelebte und gewollte 'Solidarität' !