Wo stecken sich die Belgier mit dem Coronavirus an? Die genaue Antwort kannte man eigentlich bislang immer noch nicht. Die Universitäten von Hasselt und Löwen sind jetzt zusammen mit dem externen Dienst für Gefahrenverhütung und Schutz am Arbeitsplatz (IDEWE) dieser Frage nachgegangen. Die Studie wurde im März in Zusammenarbeit mit Sciensano durchgeführt, also vor der Osterpause.
Grundlage der Untersuchung sind Daten, die man über die Tracing-Center abgefragt hat. Die Mitarbeiter der Kontaktpersonennachverfolgung haben die kontaktierten infizierten Personen gefragt, wo sie sich ihrer Ansicht nach angesteckt haben könnten. Rund ein Viertel von ihnen, nämlich 23 Prozent, haben angegeben, dass das höchstwahrscheinlich am Arbeitsplatz geschehen ist, sagte Professor Lode Godderis, einer der Autoren der Studie und auch Mitglied des wissenschaftlichen Beratergremiums Gems.
Ein Viertel aller Infizierten haben sich also wahrscheinlich am Arbeitsplatz angesteckt. Grund genug also, sich das mal genauer anzuschauen. Wobei allen Beteiligten offensichtlich sehr daran gelegen ist, jetzt nicht der Wirtschaftswelt oder einzelnen Branchen den Prozess zu machen. "Wir sind uns dessen bewusst, dass die Arbeitgeber in den letzten Monaten viel geleistet haben, um die Sicherheit ihrer Mitarbeiter bzw. Kunden zu verbessern", betonte Corona-Kommissar Pedro Facon. Nur gebe es nunmal Sektoren, in denen die Ansteckungsgefahr quasi von Natur aus größer sei, also wegen Faktoren, die spezifisch für diese Sektoren sind.
Verschiedene Sektoren besonders exponiert
Klar: Der wichtigste dieser Faktoren ist die Tatsache, dass in diesen Branchen kein Homeoffice möglich ist und auch die Abstände nicht immer gewahrt werden können. Hier fallen dann aber noch einmal spezielle Sektoren besonders ins Auge. Zum Beispiel die Lebensmittel-Industrie, vor allem die Unternehmen, die Fleisch verarbeiten oder lagern. Hier seien die Inzidenzen besonders hoch, sagte Professor Godderis. Genau gesagt: Mehr als 1.000 Ansteckungen je 100.000 Mitarbeiter innerhalb von 14 Tagen.
Es gibt da aber noch andere Sektoren, die besonders exponiert sind, zum Beispiel die nicht-medizinischen Kontaktberufe. In dieser Branche ist die Inzidenz am höchsten bei angestellten Frisörinnen und Frisören - und das trotz der geltenden Schutzmaßnahmen.
Ein anderer Bereich, in dem es viele Ansteckungen gibt, das ist das Unterrichtswesen. Am 19. März belief sich hier die Inzidenz auf 670 Fälle, mehr als in irgendeinem anderen Sektor. In diesem Zusammenhang sei die Osterpause gerade recht gekommen, sagt Professor Godderis. Dank der um eine Woche verlängerten Osterferien konnte die Inzidenz wieder auf das allgemeine Niveau der Gesamtbevölkerung gesenkt werden.
Und noch eine Branche dürfe man nicht unerwähnt lassen, sagt der KUL-Professor, nämlich der Reinigungssektor, also unter anderem auch die Betriebe, die mit Dienstleistungsschecks arbeiten. Auch hier haben sich viele Beschäftigen angesteckt, auch, weil sie häufiger Gefahr laufen, im Rahmen ihrer Arbeit mit potenziell infizierten in Kontakt zu kommen.
"Es gibt aber auch eine gute Neuigkeit", sagt Professor Godderis. "Im Pflegesektor gehen die Fallzahlen sichtbar zurück. Hier ernten wir wohl die Früchte der Impfungen."
Die Daten der Studie will man jetzt jedenfalls nutzen, um die Maßnahmen, die in den einzelnen Sektoren gelten, noch einmal zu verfeinern.
Roger Pint