Der Ton in der Debatte rund um die Wiederöffnung des Horeca-Sektors ist entschieden rauer geworden. Und definitiv martialischer. Von "Aufständischen", "Rebellen" oder gar "Guerilleros" hat man zum Beispiel in den Zeitungen gelesen. Manche glauben sogar, dass der 1. Mai zu einer Art neuer belgischer Revolution werden könnte. Der 1. Mai ist ja das Datum, das ursprünglich mal für die Wiederöffnung der Terrassen geplant gewesen war, bevor es um eine Woche verschoben wurde - und das Datum, an dem noch immer manche Betreiber drohen, ihre Terrassen zu öffnen. Mit der mal mehr, mal weniger offenen Billigung diverser Bürgermeister und Politiker.
Aber gut, realistisch betrachtet ist das alles wohl vor allem lautes Getöse und Säbelrasseln. Vielleicht auch in der Hoffnung, den Druck auf die politisch Verantwortlichen so groß werden zu lassen, dass die doch noch einknicken. Oder zumindest Zugeständnisse machen.
Ob das Wirkung zeigen wird oder nicht, das werden wir erst am Freitag nach dem Konzertierungsausschuss mit Sicherheit wissen. Aber die politisch Verantwortlichen wissen natürlich, dass es eher kontraproduktiv wäre, zu versuchen, die Debatte zu ignorieren. Das gilt auch für Frank Vandenbroucke (Vooruit), seines Zeichens föderaler Gesundheitsminister und der Mann, der in puncto strenge Corona-Regeln oft als der Hardliner schlechthin dargestellt wird.
Man verstehe die Ungeduld, die Probleme und das nicht nur wirtschaftliche Leiden der Betroffenen sehr gut, erklärte Vandenbroucke in der RTBF. Und er warb erneut um Verständnis für die Entscheidung, die Terrassenöffnung um eine Woche nach hinten zu schieben. Mit den gleichen sachlichen Argumenten, die sowohl er als auch Premierminister Alexander De Croo (OpenVLD) seit Tagen wiederholen.
Eine Woche mache viel aus, was den Schutz der Bevölkerung vor dem Virus angehe, betonte der Gesundheitsminister. Eine Woche bedeute nämlich, dass zusätzliche 400.000 Menschen geimpft werden könnten. Und zwar ältere Menschen, also die, die besonders gefährdet sind. Und diese 400.000 Personen seien am 1. Mai eben noch nicht geimpft beziehungsweise geschützt.
Beim Konzertierungsausschuss habe man versucht, ein Gleichgewicht zwischen zwei Interessen zu finden: Nämlich zwischen dem Verlangen, schnell wieder zu öffnen und dem Prinzip der Vorsicht. Und dabei herausgekommen sei eben der 8. Mai. Und er glaube, dass es einfach besser sei, es dabei zu belassen, so Vandenbroucke. Eine doch eher kalte Dusche also für eventuelle Hoffnungen auf Freitag.
Man rede hier schließlich auch nicht über eine Terrasse, sondern über Tausende. Das könne große Menschenmassen bedeuten. Und auch wenn das Ansteckungsrisiko draußen viel geringer sei als drinnen, so existiere es doch. Weil auf einer Terrasse zu trinken und zu essen eben bedeute, auf engerem Raum und für längere Zeit zusammen zu sitzen. Und dabei keine Masken zu tragen.
Und auch wenn die Bürgermeister vor Ort sich teils eher unwillig zeigen durchzugreifen, damit die Terrassen am 1. Mai tatsächlich geschlossen bleiben, so gilt das nicht für die Justiz und Polizei. Sowohl Betreibern als auch Gästen drohen Verfolgung und saftige Geldbußen.
Und es gibt noch einen anderen Aspekt, den der Gesundheitsminister noch einmal explizit hervorhob. Und der vielleicht doch den einen oder anderen Möchtegern-Rebellen sein Vorhaben noch einmal überdenken lassen könnte: Die Cafés, Restaurants und Bars, die am 8. Mai wieder öffnen, haben Anrecht auf doppeltes Überbrückungsgeld für den gesamten Monat. Also eine Summe vom Staat zwischen 2.500 und 3.200 Euro. Wer allerdings schon am 1. Mai öffnet, der verliert das Anrecht darauf, warnte Vandenbroucke.
Boris Schmidt