Wenn ein Konzertierungsausschuss ansteht, stellen alle möglichen Politiker wieder alle möglichen Forderungen in den Raum: Der eine macht sich für den einen Sektor stark, der andere für den anderen. Und so schürt man Erwartungen und oft nur falsche Hoffnungen, wie es am Montag einige Zeitungen beklagen.
Die Rolle des Spielverderbers fällt meist dem föderalen Gesundheitsminister Frank Vandenbroucke zu. Seine Kernbotschaft: "Wir dürfen nicht pokern mit unseren Krankenhauskapazitäten", sagte Frank Vandenbroucke in der VRT.
Lage in den Krankenhäusern ausschlaggebend
Auf den Intensivstationen liegen im Moment rund 900 Covid-Patienten. Ende März seien in ganz Belgien nur noch 39 Intensivbetten frei gewesen, sagt Vandenbroucke.
Die Situation in den Krankenhäusern war schließlich immer der Parameter, der das Handeln der politisch Verantwortlichen bestimmt hat. Das ist immer noch so. Letztlich geht es immer nur darum, dafür zu sorgen, dass das Gesundheitssystem nicht zusammenbricht.
Und daneben war - und ist - die wichtigste Priorität das Unterrichtswesen. Er gehe davon aus, dass der Schulbetrieb am kommenden Montag wieder aufgenommen wird, sagt Vandenbroucke. Was danach kommt, das hängt aber wieder von der Lage in den Krankenhäusern ab.
Eben deswegen wollte sich Vandenbroucke auch nicht über das äußern, was nach dem 19. April passieren könnte, also nach dem Wiederhochfahren des Schulbetriebs. Genau das sei Gegenstand des Konzertierungsausschuss am Mittwoch.
Testveranstaltungen
Dabei liege aber auch noch ein, sagen wir, sehr zukunftsorientiertes Dossier auf dem Tisch. Nach Worten von Vandenbroucke will man den Rahmen schaffen für "Eventexperimente".
So etwas gibt es schon in den Niederlanden: Man testet Veranstaltungen unter Realbedingungen, schaut, inwieweit das Covid-sicher ablaufen kann. Besagten Rahmen will man festlegen, um Organisatoren tatsächlich die Möglichkeiten zu geben, so etwas unter besten Bedingungen zu simulieren.
Zeit für Grauzonen
In diesen Zusammenhang passt eine Idee, die drei namhafte Experten in einem Offenen Brief dargelegt haben, den die Zeitung Le Soir am Montag veröffentlicht hat. Unterzeichnet wurde er von der Infektiologin Leila Belkhir, dem Epidemiologen Marius Gilbert und Nathan Clumeck, Professor für Infektionskrankheiten an der ULB.
Deren Idee kann man mit einem Schlagwort zusammenfassen: "Covid-save". Man würde die Maßnahmen viel genauer auf die jeweilige Situation auf dem Terrain zuschneiden.
Im Moment ist es so, dass Entscheidungen pauschal für ganze Sektoren gelten. Beispiel Kirchen: Die Auflage, wonach sich höchstens 15 Personen in einer Kirche aufhalten dürfen, die gilt für alle, ob das nun die Basilika von Koekelberg ist oder eine kleine Kapelle auf dem Land. Vergleichbar seien die Gebäude dafür aber nicht.
Man muss sich also die Bereiche, um die es geht, genauer anschauen. Es gibt keinen Grund, Räume zu schließen, wenn dort das Ansteckungsrisiko extrem niedrig ist - nur, weil sie einem "Risiko-Sektor" zugeordnet werden, sagt Marius Gilbert.
Das sei nämlich im Moment das Problem, sind sich die drei Unterzeichner einig: Wenn eine Maßnahme in den Augen der Bürger unlogisch wirkt, dann schwindet die Akzeptanz, sagt Nathan Clumeck.
Geht es nach den drei Experten, dann würden nicht mehr alle über einen Kamm geschoren, dann müssten die Situationen künftig viel individueller in Augenschein genommen werden, um eben nicht Geschäftslokale oder Veranstaltungsräume zu schließen, in denen das Ansteckungsrisiko gering ist.
Wie schrieb schon die Zeitung Het Nieuwsblad: "In der Corona-Politik gab es viel zu lange nur schwarz oder weiß. Jetzt wäre es Zeit für kreative Grauzonen".
Roger Pint