Zakia Khattabi hatte gar nicht mit einem guten Umweltschutz-Zeugnis gerechnet. Die Ecolo-Politikerin hat das föderale Umweltressort ja erst vor einem halben Jahr übernommen, und damit auch das Erbe ihrer Vorgänger, sagte Khattabi in den Zeitungen Le Soir und De Morgen und später auch in der RTBF. Und natürlich leugne sie nicht den Inhalt des doch sehr schlechten Zeugnisses, schließlich habe sie in ihrer Zeit als Ecolo-Vorsitzende genau die gleiche Kritik geäußert.
Konkret geht es um das jüngste Zeugnis, das die OECD, die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, ausgestellt hat. 250 Experten haben die Umweltpolitik der letzten 13 Jahre durchleuchtet. Und, da gibt es nicht nur Negatives hervorzuheben: Lobende Worte findet die Organisation zum Beispiel für das Müllmanagement und -recycling in Belgien.
Ungenügend
Dann allerdings kommt eine lange Liste von Punkten, in denen die OECD noch "Luft nach oben" sieht. Zuallererst die Luftverschmutzung, die vor allem auf den Transport und die Wohnungsbeheizung zurückgehen. Auch die Wasserqualität ist nicht so gut, wie sie sein müsste, insbesondere wegen der zu hohen Stickstoff- und Pestizid-Belastung. Belgien unternehme auch zu wenig für den Erhalt von Biodiversität und Artenvielfalt. Und, last but not least, die Klimaschutzpolitik. Auch hier steht Belgien nicht besonders gut da. Zu wenig erneuerbare Energien, kaum sinkender CO2-Ausstoß: Wenn Belgien so weiter macht, dann werde das Land die EU-Klimaschutzziele für 2030 grandios verfehlen.
In einem Wort: "ungenügend". Und so etwas lesen wir nicht zum ersten Mal, sagt Umweltministerin Khattabi. Das bestätige eigentlich nur das Urteil, das auch schon andere "externe" Gutachter über die belgische Umweltpolitik gefällt haben.
Sie wolle aber nicht über die Vergangenheit jammern, sondern jetzt resolut in die Zukunft blicken. Sie sei ja jetzt auch Teil einer Regierung, die dem Umwelt- und insbesondere den Klimaschutz in ihrem Koalitionsabkommen einen wichtigen Platz eingeräumt habe.
Nur stellt sich die Frage, wie viel eine föderale Umweltministerin - gleich welcher Couleur - tatsächlich bewegen kann. In dem OECD-Bericht werden nämlich auch "die Zerstückelung der Zuständigkeiten und das Fehlen einer wirklichen Koordination" angeprangert.
Politisches Problem
"Wissen Sie", sagt Zakia Khattabi, "das muss nicht immer ein institutionelles Problem sein". Sie könne nur feststellen, dass man sich gerne hinter der "Komplexität" des belgischen Staatsgefüges versteckt. Sie sehe hier vielmehr ein politisches Problem.
"Politisches Problem"? Khattabi meint damit vor allem die N-VA, ohne die flämische Nationalistenpartei dabei namentlich zu nennen. "Es gibt Leute, die so tun, als würden sich alle Probleme sofort lösen, wenn man nur erstmal seine Unabhängigkeit erlangt hat", sagt die Ecolo-Politikerin. Sie könne jedenfalls nur feststellen, dass die Motivation in den drei Regionen im Wesentlichen die gleiche sei. In Flandern sei die Akte aber regelrecht vergiftet durch eine nationalistische Agenda, die sich darauf reduzieren lässt, dass man jegliche Form der Zusammenarbeit ausschließt.
Doch, mal abgesehen davon: Was muss denn jetzt getan werden, damit Belgien doch noch die Ziele in Sachen Nachhaltigkeit und Klimaschutz erreichen kann? Angesichts der Dringlichkeit gibt es eigentlich nicht mehr so furchtbar viele Möglichkeiten, sagt die föderale Umweltministerin: "Wir müssen alle zusammen, kollektiv den Turbo einschalten".
"'Den Turbo einschalten', ist das eine vornehme Formulierung für eine CO2-Steuer?", wird Khattabi gefragt. Also, sie wolle das nicht immer auf dieses Schlagwort reduziert sehen, sagt sie. Allgemeiner gesprochen werde es eher so sein, dass das Verursacherprinzip zum Tragen kommen werde. "Aber, damit das klar ist", so Khattabi: Sie wolle nicht gegen die Unternehmen arbeiten, sondern sie vielmehr auf dem Weg hin zu der erforderlichen Transformation begleiten. Dies mit dem Ziel, dass die Firmen, die heute in ihren Sektoren Marktführer sind, das in Zukunft auch bleiben.
Der Weg dahin ist aber noch lang, sehr lang in Belgien. "Beinahe wären wir ganz durchgefallen", sagt Khattabi. Aber, sie sei guter Hoffnung, dass wir die Nachprüfung dann doch noch bestehen werden. Ein schlechtes Zeugnis sollte doch eigentlich ein Ansporn sein.
Roger Pint