Dass es außer der Ankündigung nach dem Konzertierungsausschuss so gut wie keine weiteren Informationen und Einzelheiten gegeben hat, lässt die Gemüter bei den Betroffenen hochkochen. Ein "Skandal" sei das, wettert etwa der Geschäftsführer des Einzelhandelsverbandes Comeos, Dominique Michel.
Im besten Fall hätten die Geschäftsbetreiber weniger als einen Tag Zeit, um sich vorzubereiten. Und man muss nicht selbst Händler sein, um einzusehen, dass das nun wirklich nicht genügend Zeit ist, um ein halbwegs durchdachtes Reservierungssystem auf die Beine zu stellen. Von einem Luxus wie etwa einem speziellen Online-System ganz zu schweigen. Und je kleiner die Geschäfte, desto schwieriger wird es, diesen Aufwand überhaupt zu bewältigen.
Dabei ist noch nicht die Frage berücksichtigt, ob sich der Aufwand überhaupt lohnt. Denn am Beispiel der Niederlande mit ihrem Reservierungssystem hat man gesehen, dass die Kunden nur bedingt gewillt sind, da mitzuspielen. Denn dort muss man schon sehr interessiert sein oder etwas sehr dringend brauchen, um mehrere Stunden vorher einen Termin auszumachen. Und viele Menschen überlegen es sich auch einfach anders, während sie auf ihr Einkauffenster warten.
Das ist natürlich Gift für die Händler, die den Aufwand und auch Kosten für das Personal haben. Für viele Kunden kommt auch noch ein psychologischer Aspekt hinzu: Sie fühlen sich unter Druck gesetzt, etwas zu kaufen, wenn sie einen Termin reserviert haben. Und jegliche Art von Druck ist bekanntlich kontraproduktiv.
Comeos spricht denn auch von einem effektiven Semi-Lockdown. Und der wird die betroffenen Sektoren nach Schätzungen des Verbands in den nächsten vier Wochen rund eine Milliarde Euro an Umsatzeinbußen kosten und vorsichtig geschätzt längerfristig über 13.000 Arbeitsplätze bedrohen.
Trotz aller Unsicherheiten und Risiken wollen aber nach einer Umfrage des Einzelhandelsverbands unter seinen Mitgliedern Samstag rund 85 Prozent der Geschäfte öffnen, fünf weitere Prozent wollen zu Wochenbeginn soweit sein. Der Rest weiß einfach noch nicht einmal, ob und wie sie mit den Pflichtterminabsprachen klarkommen sollen. Die Händler versuchten natürlich ihr Bestes, um ein einfaches System auf die Beine zu stellen, erklärte Lora Nivesse von Comeos bei Radio Eén. Aber ohne präzise Anweisungen von den Behörden sei das natürlich sehr schwierig.
Die scharfe Kritik geht auch an die Adresse der föderalen Innenministerin Annelies Verlinden (CD&V). Und die zeigte bei der VRT Verständnis für die Sorgen und den Unmut der Händler. Schön sei das alles nicht. Aber es sei der Versuch, die Geschäfte so weit wie eben möglich offen zu halten und gleichzeitig die unnötigen Bewegungen und Kontakte der Menschen nach Möglichkeit zu begrenzen. Man arbeite hart daran, das Ziel sei, den entsprechenden ministeriellen Beschluss mit den notwendigen Einzelheiten gegen Mittag zu veröffentlichen.
Erste Details
Aber immerhin gab sie schon vorab verschiedene Details bekannt, die vielleicht doch den einen oder anderen etwas beruhigen werden. So soll es den Händlern überlassen bleiben, wie sie die Reservierungen entgegennehmen und managen. Der administrative Aufwand für die Betroffenen solle so gering wie möglich gehalten werden. Man bestehe aber darauf, dass mit einem System gearbeitet werde und Menschen auch nur mit einem Termin und im vereinbarten Zeitfenster Zugang zu den Geschäften gewährt werde.
Was allerdings nicht kommen werde, sei eine Auflage wie in den Niederlanden, vier Stunden im Voraus reservieren zu müssen. Auf die Frage angesprochen, ob das denn bedeutet, dass man sich etwa zu einem Geschäft begeben kann, um zum Beispiel einen Termin für eine Minute später zu vereinbaren, zeigte sich die Ministerin weniger glücklich. Ausgeschlossen sei so eine Praxis zwar nicht, gab Verlinden zu. Aber Sinn der ganzen Maßnahme sei das natürlich auch nicht wirklich.
Der sei nämlich, dass die Menschen sehr gezielt in die Geschäfte gingen, um ihre Besorgungen zu erledigen. Und was man auf jeden Fall vermeiden müsse, seien Warteschlangen von Kunden, die einen Termin an der Eingangstür ausmachen wollten, unterstrich Verlinden.
Ein härteres Durchgreifen oder höhere Geldstrafen soll es übrigens auch nicht geben. Was die Menschen dazu bewegen solle, die Regeln einzuhalten, das sei das Ziel, die Ausbreitung des Virus zu stoppen. Und nicht die Angst vor Geldbußen, so die Hoffnung der Innenministerin.
Boris Schmidt