Allein die reinen Zahlen und Fakten sind schon schwindelerregend. 1.600 Beamte unter anderem auch von Spezialeinheiten, 200 durchsuchte Gebäude und Wohnungen, 17 Tonnen Kokain und über 1,2 Millionen Euro Bargeld beschlagnahmt, über 40 Festnahmen, darunter auch Anwälte, mindestens 15 illegale Waffen, darunter sechs Schusswaffen. Sogar Polizeiuniformen, acht Luxus-Autos, GPS-Sender und mehrere Geldzählmaschinen konnten die Behörden sicherstellen. Und das Wichtigste: Polizei und Justiz haben das hochgesicherte, verschlüsselte Kommunikationssystem der Drogenkartelle geknackt und damit nutzlos für die Verbrecher gemacht.
Zeitgleich schlugen die Ermittler in den Niederlanden zu. Dort wurden 75 Wohnungen und Büros durchsucht und 30 Menschen festgenommen. In Rotterdam fanden die Beamten 28 Feuerwaffen.
"Historischer Tag"
Angesichts dieser Erfolge ist es wohl gerechtfertigt, dass Justizminister Vincent Van Quickenborne (OpenVLD) von einem "historischen Tag im Kampf gegen das organisierte Verbrechen" spricht. Auch Antwerpens Bürgermeister Bart De Wever (N-VA) jubelt: Das größte Drogen-Netzwerk der Welt sei in Belgien zerstört worden. Er denke, dass viele Menschen in Antwerpen in der Nacht vor Angst schlotternd im Bett lägen, so De Wever in Terzake. Denn von den belgienweit 6.000 Benutzern der Krypto-Handys der kanadischen Firma SKY ECC sitzt rund die Hälfte in der Scheldestadt. Also von dem verschlüsselten System, das die Sicherheitsbehörden geknackt haben, um die Nachrichten der Kartelle mitzulesen. Von diesen 6.000 dürften wohl nur die allerwenigsten astreine Motive haben, so eine Technik zu nutzen.
Eine Milliarde Nachrichten konnten die belgischen Behörden so abfangen. Von denen wohl gerade mal die Hälfte überhaupt schon entschlüsselt und gelesen ist. Es ist also noch eine gewaltige Arbeit, die da auf Polizei und Justiz warten wird. Und ob die dieser Aufgabe überhaupt gewachsen sind, daran zweifelt De Wever. Denn man habe zu wenige Mittel und zu wenig Personal, um diese wahre Goldmine an Informationen auszuwerten und zu verarbeiten. Da müsse jetzt dringend etwas passieren und mehr Kräfte geschickt werden, fordert der Bürgermeister.
Verstärkung
Eine nachvollziehbare Forderung. Aber auch eine, der man offenbar bereits im Begriff ist nachzukommen. Das erklärte die föderale Innenministerin Annelies Verlinden (CD&V) am Morgen bei Radio Eén. Schon bei ihrem Amtsantritt vor rund fünf Monaten habe sie festgestellt, dass die föderale Gerichtspolizei mehr Mittel und Personal brauche. Denn hier ginge es um eine besondere Art der Kriminalität, die auch sehr flexibel sei.
Deshalb müsse man dafür sorgen, dass diese Verstärkung schnell zugestanden würde. Dafür gebe es auch bereits einen neuen und klaren strategischen Plan bei der föderalen Gerichtspolizei. Das sei also in der Mache, versicherte Verlinden.
Außerdem würden zusätzliche Mittel investiert, das vor allem zur Rekrutierung von Spezialisten, zum Beispiel Informatikspezialisten. Die bräuchte man unter anderem für die notwendigen Recherchearbeiten. Hier seien 450 Stellen für die föderale Gerichtspolizei schon ausgeschrieben, davon hundert in Antwerpen. Das laufe also auch bereits, betonte die Innenministerin.
Abgesehen davon gebe es bei der föderalen Gerichtspolizei ja auch schon 5.000 Beamte, die sich mit dieser Art von Dossiers beschäftigen könnten. Und es gebe aufgrund der internationalen Aktivität der Drogenkartelle auch Unterstützung von Europol. Das Team stehe also, da müsse man keine Zweifel haben, unterstrich Verlinden.
Man dürfe aber natürlich nicht naiv sein oder sich Illusionen machen. Den kriminellen Organisationen sei jetzt ein Schlag versetzt worden. Aber sie würden sich davon erholen und reorganisieren. Und um den Verbrechern einen Schritt voraus zu bleiben, müssten die Verstärkungen jetzt auch kommen. Dafür werde sie sich als Innenministerin, gemeinsam mit Justizminister Van Quickenborne, in der Regierung stark machen. Außerdem bereite sie gerade auch eine Gesetzesinitiative vor, um die lokalen Behörden im Kampf gegen die Wäsche von illegalen Drogengeldern zu stärken, so Verlinden. So sollten dann die Herkunft und die Ströme verdächtiger Gelder besser kontrolliert und gegebenenfalls eingegriffen werden können.
Boris Schmidt