"Draußen ist es schön. Aber, in puncto Corona durchqueren wir gerade eine Gewitterzone. Und wir wissen nicht, wann der Himmel wieder aufklaren wird." Sciensano-Sprecher Yves Van Laethem ist ein Freund von blumigen Metaphern. Aber, nicht nur der. Am vergangenen Freitag hat auch Premier Alexander De Croo ein prägnantes Bild bemüht: "Mitten in einem Sturm sollte man nicht starten", sagte De Croo. Mit anderen Worten: Die aktuell unsicheren Zahlen erlauben es nicht, die Corona-Maßnahmen zu lockern.
Deswegen hatte sich der Konzertierungsausschuss eine Woche Zeit gegeben, eine Woche, in der sich zeigen muss, ob es tatsächlich ein Sturm ist oder doch nur eine Windböe. Sciensano hat am Dienstag also ein erstes Mal auf das Barometer geschaut. Eine klare Tendenz ist aber noch nicht zu erkennen. "Die Zahl der Neuinfektionen nimmt weiter zu, aber zum Glück nicht mehr so schnell wie vorher", stellt Kollege Steven Van Gucht fest. "Gleichzeitig bekommen wir aber besorgniserregende Meldungen aus den Krankenhäusern. Die Zahl der Neuaufnahmen und auch der belegten Covid-Betten steigt - und das gilt auch für die Intensivstationen."
Das klingt erstmal nicht so, als würde der Himmel aufklaren. Wobei... Yves Van Laethem scheint doch die eine oder andere Schwalbe zu erkennen, die auf besseres Wetter hoffen lassen könnte. "Ja, wir hatten am vergangenen Freitag einen sprunghaften Anstieg der Krankenhausaufnahmen zu verzeichnen. 204 waren es am Ende. Das hat sich aber zum Glück so nicht fortgesetzt."
Doch warum steigen die Zahlen? Sciensano kann da nur spekulieren, wobei man doch über Daten verfügt, die zumindest die Windrichtung anzeigen. Mobilitätsdaten deuten zum Beispiel darauf hin, dass wir uns wieder mehr bewegen. Klar: Die frühlingshaften Tage haben die Menschen dazu ermuntert, in die Ardennen oder an die Küste zu fahren. Aber, es geht um mehr als das. Viele Menschen haben ihr Homeoffice offensichtlich aufgegeben und sind wieder zur Arbeit gefahren. Insgesamt nehmen die Kontakte wieder zu. "Und beides erklärt wohl die steigenden Zahlen", sagt Steven Van Gucht. Deswegen appellieren die Sprecher noch einmal an die Bevölkerung, doch bitte noch ein wenig im Homeoffice zu bleiben.
Wellchen
Doch wie sind die Zahlen denn jetzt zu bewerten? Erstaunlicherweise kommen die beiden Sprecher da zu unterschiedlichen Urteilen, zumindest im Ton. Yves Van Laethem greift seinerseits wieder tief in die Kiste mit den geflügelten Worten: "Wir sind in Belgien, also sage ich es mit Magritte: Dies ist keine Dritte Welle. Nennen wir es mal: ein Wellchen".
Beim Kollegen Steven Van Gucht hörte sich das später doch anders an. "Es ist noch zu früh, um sich über die Frage auszusprechen, ob es sich nun um eine dritte Welle handelt oder doch nur um ein Wellchen", sagte Van Gucht. Er sei der Ansicht, dass eine dritte Welle noch zu verhindern ist, aber, das, was wir hier sehen, kann immer noch der Auftakt sein.
Steven Van Gucht scheint also wesentlich vorsichtiger zu sein als sein frankophoner Kollege. Es kommt nicht sehr oft vor, dass sich der Wortlaut bei beiden Sprechern derartig unterscheidet. Meistens sind die Texte fast aufs Wort die gleichen. Ums also mit den Freunden von Metaphern zu sagen: Wir bewegen uns offensichtlich noch auf dünnem Eis.
Es gibt aber auch lupenreine Lichtblicke. So zeigen die Zahlen ganz deutlich, dass die Bewohner von Wohn- und Pflegezentren offensichtlich aus der Schusslinie des Virus verschwinden. Immer weniger von ihnen müssen in Krankenhäuser eingeliefert werden oder sterben an Covid. "Das ist ganz klar die Folge der Impfungen", sagt Steven Van Gucht.
Roger Pint
Also worauf warten? Impfung ist angesagt, sonst wandern wir von Lockerung zu Lockdown und zurück. Vor allem wo jetzt Impfstoff da ist.