Am Wochenende konnte man zumindest mancherorts den Eindruck haben, dass das ganze Land unterwegs war. Neben den üblichen Brennpunkten wie Küste oder Ardennen war das besonders auch in den Ballungsgebieten unübersehbar. Was natürlich auch damit zu tun hat, dass grüne Oasen in Städten begrenzt sind und sich nicht jeder weit weg bewegen kann oder will. Die Folge: sehr viele Menschen, die gemeinsam an den gleichen Orten spazieren gingen oder mit mitgebrachtem Essen und Getränken gesellig beisammensaßen.
Die Brüsseler Polizei konnte denn auch nur lapidar feststellen, dass viele nicht die vorgeschriebenen Mundschutzmasken trugen und dass die Sicherheitsabstände nicht immer eingehalten wurden. Was aber doch etwas verwundert, ist, dass keine Protokolle ausgestellt und Geldbußen verhängt wurden. Das sei trotz mehr eingesetzten Beamten und verstärkter Streifentätigkeit ein Ding der Unmöglichkeit gewesen, rechtfertigt sich die Polizei der Hauptstadt. Stattdessen habe man auf Ansprechen und Dialog gesetzt, heißt es weiter. Das das aber auch anders geht, sah man beispielsweise in Antwerpen. Dort griffen die Ordnungskräfte wesentlich rigoroser durch und stellten rund 150 Protokolle aus.
Dieses doch uneinheitliche Vorgehen der Polizei stößt manchen sauer auf. Denn die Regeln sollten ja eigentlich für alle gleich sein, ebenso wie die Folgen für Verstöße gegen die Regeln. Ansonsten könnten sich manche ungerecht behandelt fühlen und das birgt letztlich die Gefahr, die Akzeptanz in der Bevölkerung und damit die Befolgung der Corona-Regeln zu untergraben.
Innenministerin Annelies Verlinden (CD&V) warb dennoch um Verständnis. Das Leben der Menschen sei so stark von den Corona-Regeln eingeschränkt, dass es nicht überraschen dürfe, wenn die Disziplin an Tagen mit so einem Wetter bei manchen etwas nachlasse, erklärte Verlinden bei Radio Eén. Ihrem Eindruck nach hätten sich die Menschen auch an sehr vollen Orten oft gut an die Hygieneschutzmaßregeln gehalten. Aber in der Tat habe es an anderen Orten Verhalten gegeben, das angesichts der gesundheitlichen Situation nicht vernünftig gewesen sei. Und bei allem Verständnis könne das dazu führen, dass sich die notwendigen Schutzmaßnahmen um Wochen oder Monate verlängern könnten. Denn so könnte es zu Infektionsherden und vermehrten Ansteckungen kommen, warnte die Innenministerin.
Der möglicherweise entstandene Eindruck, dass es vonseiten der Behörden keine einheitlichen Richtlinien zur Durchsetzung der Corona-Regeln gebe, sei aber falsch. Die verschiedenen Ebenen der Polizei berieten sich regelmäßig darüber. Und es gebe auch entsprechende Richtlinien von den Generalprokuratoren. Allerdings unterstünde die lokale Polizei auch den jeweiligen Bürgermeistern.
Dialog statt Bestrafung: Legitime Wahl
Am wichtigsten sei doch letztlich, dass die Schutzmaßregeln so gut wie möglich von den Menschen befolgt würden. Ob die Polizei es als besser und sicherer erachte, Menschen anzusprechen und zu ermahnen, oder Bußgelder zu verhängen, sei eine Einschätzungsfrage, die jeweils vor Ort und nach Situation unterschiedlich ausfallen könne.
Dialog statt unmittelbarer Bestrafung sei eine legitime Wahl, so Verlinden. Die Polizei entscheide jeweils, was angemessen und notwendig sei, um die Einhaltung der Regeln durchzusetzen. Diese Entscheidungen würden weder leichtfertig, noch nach dem Zufallsprinzip oder beliebig gefällt. Und es sei schlicht sehr schwierig, ein einheitliches Vorgehen für das ganze Land festzulegen.
Gleichzeitig müsse man natürlich Wochenenden wie dieses zum Anlass nehmen, um die Arbeit der Beamten zu bewerten und gegebenenfalls anzupassen, räumte Verlinden ein, damit man auf das kommende gute Wetter so gut wie möglich vorbereitet sein könne. Sie treffe sich am Montag auch deswegen mit den Spitzen der Polizei. Und auch wenn die Ordnungskräfte bestmöglich vorbereitet gewesen seien, so werde man dennoch sehen, ob zusätzliche Anweisungen nötig seien, beziehungsweise ob bestehende Anweisungen deutlicher werden müssten, versicherte die Innenministerin.
Boris Schmidt