Die bekannteste dieser gefürchteten neuen Abarten ist die sogenannte "britische" Variante. Aber auch andere aufgetretene Mutationen bereiten Sorgen. Die aktuelle Situation etwa in Großbritannien kann man eigentlich nur als erschreckend bezeichnen. Aber die "britische" Variante hat schon längst die Landesgrenzen überschritten. Ein extremes Beispiel dafür ist Irland. Die Insel ist bei den Neuinfektionen mittlerweile Spitzenreiter in der Europäischen Union. Und das trotz Lockdown im November und einer zuvor eigentlich guten Entwicklung. Einen Grund dafür sehen Experten in der Präsenz der "britischen" Corona-Variante. Laut Angaben des Biostatistikers Geert Molenberghs macht diese Variante in Irland bereits 25 Prozent des Virus-Aufkommens aus. Tendenz dramatisch steigend.
Dieses Schreckgespenst hat auch Belgien vor Augen. Und Anlass zur Sorge besteht auf jeden Fall. Die Zahlen hatten sich hierzulande relativ lange gut entwickelt. Inzwischen steigen die Neuinfektionen aber bereits den dritten Tag in Folge. 14 Prozent beträgt die Zunahme mittlerweile im Vergleich zur letzten Referenzwoche.
Die Ursache für diese Verschlechterung ist nicht eindeutig. Ein Grund könnte vermehrtes Testen, gerade der Zehntausenden von Urlaubsrückkehrern sein. Ob neue Virus-Varianten eine Rolle spielen, weiß man aktuell noch nicht. Aber selbst, wenn das nicht der Fall ist, kann ein solches Szenario noch eintreten. Und darauf wollen sich die Behörden vorbereiten.
Aus diesem Grund hat der föderale Gesundheitsminister Frank Vandenbroucke (SP.A) die Taskforce Tests angewiesen, ein entsprechendes System zur Nachverfolgung der Reiserückkehrer zu entwickeln, die möglicherweise mit neuen Corona-Varianten infiziert sind.
Auffälligkeiten suchen
Konkret geht es dabei um Menschen, deren Proben bei einem PCR-Test Auffälligkeiten aufweisen. Diese Auffälligkeiten werden durch eine - im Vergleich zur bisher am weitesten verbreiteten "normalen" Variante - genetischen Abweichung verursacht. Diese wird als "S-Gen dropout" bezeichnet. Ist diese Abweichung im Genom des Virus' präsent, kann das auf die Anwesenheit einer der neuen, ansteckenderen Varianten hinweisen. Ansteckender bedeutet hier, dass infizierte Menschen eine deutlich höhere Virusladung in sich tragen.
Das Problem: Nicht jeder PCR-Test kann diese Abweichung aufspüren. In Belgien etwa sind es vor allem die acht universitären Labore der föderalen Test-Plattform, die dazu in der Lage sind. Tests, die von anderen Laboren durchgeführt werden, können meist lediglich feststellen, ob eine Infektion mit dem Coronavirus vorliegt. Aber nicht, ob es sich dabei um eine neue Variante handelt.
Bei dem in Antwerpen gestarteten Pilotprojekt geht es darum, spezifisch Corona-Infizierte aufzuspüren, die eine sehr hohe Virusladung aufweisen und deren PCR-Test auf besagte genetische Abweichung hindeutet. Das erklärte Karine Moykens, Präsidentin des Interföderalen Komitees Tests und Tracing, am Morgen bei Radio Eén. Diese Menschen werden von einem Arzt der Gesundheitsinspektion erneut kontaktiert. Der macht sie darauf aufmerksam, dass sie sich besonders streng an die Quarantäne beziehungsweise Isolation halten müssen. Und dass sie sich nach sieben Tagen erneut testen lassen sollen. Im Normalfall ist die aktuelle Regelung in Belgien ja, dass, wer positiv getestet wurde und in Isolation gehen musste, nach sieben Tagen bei Abwesenheit von Symptomen nicht mehr in Quarantäne bleiben muss. Und zwar ohne einen neuen Test machen zu müssen, wie Karine Moykens erklärte.
Die Frage ist allerdings, ob dieses Vorgehen gerade angesichts möglicher neuer Varianten sinnvoll ist. Und darum geht es zusammengefasst beim Antwerpener Pilotprojekt, so Moykens. Also um die Frage, ob Verdachtsfälle auf neue Varianten nicht ein zweites Mal getestet werden sollten. Und ob es nicht besser sei, zu kontrollieren, dass die Virusladung im Körper so weit zurückgegangen sei, dass die Menschen tatsächlich keine Gefahr mehr darstellten.
Dritte Corona-Welle vermeiden
Das Ziel müsse nämlich sein, eine dritte Corona-Welle unbedingt zu vermeiden, betonte Moykens. Gerade auch angesichts der Lage in den Nachbarländern. Noch sei Belgien mit seiner Impfkampagne ja nicht weit genug vorangekommen, um die besonders gefährdeten Menschen in den Wohn- und Pflegezentren ausreichend schützen zu können oder um eine Überbelastung des Gesundheitssystems durch ein Wiederaufflammen der Epidemie zu verhindern.
Und wenn sich bei dem Pilotprojekt herausstellen sollte, dass man zur Vermeidung einer dritten Welle beispielsweise dadurch beitragen könne, dass die Isolationszeit verlängert werde, dann müsse man das auch tun, so Moykens.
Boris Schmidt