Vor mehr als einem Jahr war Virologe Marc Van Ranst nur einem kleinen Fachpublikum bekannt. Inzwischen zählt der Wissenschaftler zu den bekanntesten Belgiern. Seit Monaten informiert er fast täglich über die neue Entwicklung in Sachen Corona.
Im flämischen Fernsehen ist er ein begehrter Dauergast. Dadurch kennt fast jedes Kind in Flandern sein Gesicht. Doch der Prominenten-Status hat auch seine Schattenseiten. Marc Van Ranst steht schon seit Juli unter Polizeischutz.
Damit ist er in Belgien nicht alleine. Marc Van Ranst ist einer von 144 Belgiern, die zurzeit unter Polizeischutz stehen. Das ist ein Anstieg von zehn Prozent im Vergleich zu 2019 und fast eine Verdoppelung im Vergleich zu 2017, so die Zahlen des Krisenzentrums des Innenministeriums.
Marc Van Ranst ist nicht der einzige Covid-Experte auf der Liste. Auch Infektiologin Erika Vlieghe, die Vorsitzende der Expertengruppe, die die politischen Entscheidungsträger in der Coronakrise berät, steht unter Polizeischutz, und noch zwei weitere Corona-Experten. Bei den anderen handelt es sich um Minister, Bürgermeister, Schöffen, Richter oder Anwälte.
Gesichter der Aktualität
Laut Yves Stevens, Sprecher des Krisenzentrums, ist der Anstieg auch durch die Terrorismusakte der letzten Jahre bedingt. Aber der Grund für eine Bedrohung hänge tatsächlich "oft auch mit aktuellen Ereignissen zusammen". Politiker erhalten prompt unangenehme bis bedrohliche Reaktionen, wenn sie Vorschläge machen, die manche Bürger für absolut unsinnig halten.
Die sozialen Netzwerke machen es einfacher, jemanden zu bedrohen. Und wenn man ungebremst seinen Frustrationen freien Lauf lässt, dann wird nicht auf Nuancen geachtet. Dann gibt es oft die volle Ladung. Es sei aber selten, dass die Drohungen tatsächlich in die Tat umgesetzt werden.
Kein Kavaliersdelikt
Selten sind die Bedrohten gezwungen, eine Zeit lang mit einem Bodyguard zu leben. Oft besteht der Schutz nur darin, den Betroffenen eine Nummer der Polizei zu geben, die sie bei Gefahr anrufen können. Eine andere Möglichkeit besteht darin, dass eine Polizeistreife regelmäßig am Wohnort des Bedrohten vorbeifährt.
Marc Van Ranst sagte der Zeitung De Standaard: "Wenn ich bei jeder Bedrohung zur Polizei gehen würde, wäre ich die ganze Zeit dort". Hört sich lustig und unerschrocken an. Aber eigentlich ist es das nicht für die Betroffenen. Irgendwann war es auch Marc Van Ranst zu bunt geworden, als sich ein Kampfsportspezialist bei ihm brüstete, dass er schon wegen illegalen Waffenbesitzes verurteilt worden sei. Da war für ihn Schluss mit lustig.
Drohungen können die Täter teuer zu stehen kommen. Sie können zu einer Freiheitsstrafe von acht Tagen bis zu drei Monaten und einer Geldstrafe von bis zu 800 Euro führen. In schwerwiegenden Fällen sind Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren und Geldstrafen bis zu 4.000 Euro möglich.
standaard/mz/km