Eines vorweg: Global, also auf das ganze Land und auf die letzte Referenzwoche bezogen, sinken die Coronavirus-Zahlen nach wie vor. Allerdings muss man auch ganz klar sagen, dass sich diese Abnahme immer weiter zu verlangsamen scheint. Oder anders gesagt: Belgien scheint bei den Corona-Zahlen ein Plateau zu erreichen.
Besonders offensichtlich wird diese Entwicklung, wenn man die letzten rund drei Tage anschaut. Laut den neuesten Zahlen sind am Montag im Vergleich zu Sonntag die Krankenhausneuaufnahmen sogar gestiegen, wenn auch nur um zwei Prozent.
Anlass zur Sorge
Diese Entwicklungen bieten aber Anlass zur Sorge. Das sagte auch der Virologe Steven Van Gucht vom Institut für Volksgesundheit, Sciensano, am Montagmorgen bei Radio Eén. Der Biostatistiker Geert Molenberghs geht in Het Laatste Nieuws weiter. Er will nicht ausschließen, dass sogar weitere, strengere Maßregeln nötig werden könnten. War man bis vor Kurzem noch davon ausgegangen, dass aufgrund der positiven Entwicklung möglicherweise schon bald mit weiteren Lockerungen zu rechnen sein könnte, rückt das jetzt wohl wieder weiter in die Ferne.
Was die Gründe für diese alles andere als erfreuliche Entwicklung angeht, herrscht momentan noch etwas Ratlosigkeit. Man habe noch keine präzise Erklärung für das Phänomen, gab Van Gucht zu. Das Problem ist, dass viele verschiedene Faktoren zusammenkommen und dass man bisher auch nicht von einer belgienweit einheitlichen Entwicklung sprechen kann. Besonders betroffen sind aktuell die Provinzen Limburg und Luxemburg, während in Brüssel und großen Teilen der Wallonie noch von definitiv sinkenden Zahlen gesprochen werden kann.
Infektionszahlen in den Nachbarländern
Eine Theorie ist, dass die geänderte Teststrategie eine Rolle spielen könnte. Nach der werden ja auch wieder asymptomatische Menschen getestet. Es werde zwar mehr getestet, aber wenn man sich die Ergebnisse im Detail ansehe, scheine das nicht die Erklärung zu sein, meint Steven Van Gucht.
Worauf man aber möglicherweise ein Auge haben müsse, seien die Infektionszahlen in den Nachbarländern. Gerade in den Niederlanden, Deutschland und im Großherzogtum Luxemburg habe man deutlich höhere Ansteckungszahlen als in Belgien. Besonders in der Provinz Luxemburg habe man eine deutliche Zunahme der neuen Corona-Fälle in der Altersgruppe der aktiven Menschen mittleren Alters festgestellt, also der Gruppe, die etwa zum Arbeiten in das Großherzogtum pendelt. Inwieweit diese Erklärung allerdings auf die Provinz Limburg zutreffen könnte, sei weit weniger klar, räumte Van Gucht ein.
Allerdings ist auch noch in anderen Bevölkerungsgruppen zum Teil eine deutliche Zunahme der Infektionen zu verzeichnen. Nämlich gerade bei jüngeren Kindern und, in etwas geringerem Maße, auch bei Teenagern. Das sei auch nicht wirklich überraschend und mit der Wiederöffnung der Schulen vor rund drei Wochen zu erklären, so Van Gucht. Er hoffe aber, dass die Weihnachtsferien dieser spezifischen Entwicklung Einhalt gebieten würden.
Weihnachtsferien
Die Weihnachtsferien könnten aber ohnehin generell für eine ganz neue Dynamik bei den Corona-Zahlen sorgen - allerdings sowohl im positiven wie im negativen Sinne. Einerseits könnten durch die Pause Infektionsketten unterbrochen werden. Andererseits wisse man nicht, wie sich die Festtage und auch das Reisen auswirken könnten. Viele Menschen hätten trotz deutlicher Gegenempfehlung Reisen gebucht, etwa Menschen, die Familie im Ausland hätten.
Familienbesuche stellten das höchste Ansteckungsrisiko dar, das wisse man, so Van Gucht. Generell sei deswegen entscheidend, wie die Weihnachtszeit organisiert würde. Er sei überzeugt, dass man die Situation unter Kontrolle behalten werde, wenn man die Festtage auf eine sichere Art und Weise verbringe, so Van Gucht. Seiner Meinung nach seien aber die bereits existierenden Maßregeln ausreichend. Auch, wenn es wohl empfehlenswert sei, dass jeder noch etwas mehr auf die Einhaltung der Regeln achte.
Coronavirus: Neuinfektionen und Sterbefälle weiter rückläufig
Boris Schmidt
„Auch, wenn es wohl empfehlenswert sei, dass jeder noch etwas mehr auf die Einhaltung der Regeln achte.“
Mit einer Kakophonie in der politischen Kommunikation, mit Querschüssen und medialer Selbstinszenierung von Ministerpräsidenten wird man nicht erreichen, dass die Menschen sich an Regeln halten.
Das Gegenteil wird der Fall sein.
„Wenn die die da oben erzählen, was sie wollen, dann mache ich auch, was ich will“, konnte kürzlich in einem Supermarkt hören.“
So ist es wohl.