Herman Goossens, der Leiter der Taskforce Tests und selbst Mikrobiologe, hatte am Dienstag beeindruckend klingende Zahlen mitgebracht über die Aufstockung der Coronavirus-Testkapazitäten in Belgien: rund 90.000 Tests pro Tag bis Ende November, für die Monate danach sogar 110.000 beziehungsweise 115.000.
Und das bedeutet, wie bereits zuvor angekündigt, eben auch, dass ab nächster Woche wieder alle, die das wollen, getestet werden können - ob sie jetzt Symptome haben oder nicht. Das gilt dann auch für Menschen, die beispielsweise aus Hochrisikogebieten im Ausland zurückkehren oder die einen Hochrisikokontakt hatten, wie Goossens bei Radio Eén erklärte.
In den letzten Wochen hatten sich solche Menschen ja, wenn sie eben keine Symptome entwickelten, vorsorglich selbst in eine auf zehn Tage verlängerte Hausquarantäne begeben müssen. Ab Montag dann also die Rückkehr zur "alten" Praxis. Wobei Goossens sich noch nicht dazu äußern wollte, ob die Quarantäne-Zeit dann auch wieder runtergeschraubt wird.
Nach Angaben der VRT stehen die Richtlinien für die neue Teststrategie aber bereits fest. Demnach müssen Menschen ohne Symptome nicht zu einem Hausarzt, sondern sie sollen sich direkt an ein Testzentrum wenden. Dafür erhalten sie einen Code. Nur falls der Test positiv ausfällt, müssen sie Kontakt zu einem Hausarzt aufnehmen. Die Hausarztvereinigung Domus Medica reagierte der VRT zufolge zufrieden auf die neuen Test-Richtlinien.
Durch die größeren Testkapazitäten ist aber eben nicht nur eine Rückkehr zur "alten" Prozedur möglich, sondern noch mehr. Denn auch wenn die Teststrategie eigentlich bis Ende Februar 2021 festgeklopft sei, könne man jetzt darüber nachdenken, in größerem Maßstab zu testen.
Er sei aber kein Fan davon, universell zu testen, also alle Menschen im Land, so Goossens. Vielmehr ginge es bei den jetzigen Überlegungen um das gezielte Testen größerer Gruppen, also beispielsweise um das Pflegepersonal, Lehrer und bestimmte andere essentielle Berufsgruppen. Hierbei sei es allerdings wichtig, dass man sich international beziehungsweise innereuropäisch abspreche. Denn nur, wenn die Nachbarländer die Tests auch anerkennen, mache so eine Praxis Sinn.
Kein Corona-Massentest
Eine kalte Dusche verpasste Goossens aber möglichen Vorstellungen, dass man es der Slowakei nachmachen könne, die ja innerhalb kürzester Zeit einen Großteil der Bevölkerung massengetestet hatte. Und Österreichs Bundeskanzler Kurz hatte ja sogar angekündigt, durch entsprechende Tests das Weihnachtsfest retten zu wollen. Auch er sei von verschiedenen Politikern diesbezüglich kontaktiert worden, erklärte Goossens. Aber ehrlich gesagt habe er kein Vertrauen in ein solches Vorgehen.
Zum einen sei da der enorme logistische Aufwand. Selbst ein kleines Land wie die Slowakei, das ja knapp die Hälfte der Bevölkerung Belgiens hat, habe dafür 11.000 Soldaten und Polizisten mobilisieren müssen. Und er warte auch noch immer auf eine korrekte wissenschaftliche Auswertung und Analyse der ganzen Tests. Mit dem reinen Testen sei es ja nicht getan, unterstrich Goossens.
Auch habe er gehört, dass die Menschen dort mancherorts stundenlang in Schlangen hätten warten müssen. Vom infektiologischen Standpunkt her höchst bedenklich. Um solche gefährlichen Situationen zu vermeiden, wäre auch in Belgien der Bau hunderter und aberhunderter von Testzentren notwendig. Und das sei logistisch sehr schwer, warnte Goossens.
Und selbst wenn man das hinbekäme, müsse man noch ein ganz anderes Problem bedenken. Neben Menschen mit Symptomen würde man bei solchen Tests nämlich natürlich auch sehr viele Menschen positiv testen, die keinerlei Beschwerden haben. Das sei beim Coronavirus so. Und diese Menschen dann zu überzeugen, sich freiwillig in Isolation zu begeben, das stelle er sich extrem schwierig vor.
Ohne begleitende Maßnahmen wie eine finanzielle Kompensation oder zum Beispiel Einkaufshilfen bei Alleinstehenden und Ähnliches könne so ein System nicht funktionieren, so Goossens.
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