"Man sollte von diesem Konzertierungsausschuss keine Entscheidungen erwarten", sagte Vizepremier Vincent Van Quickenborne in der RTBF. Und er bestätigte damit noch einmal das, was Premierminister Alexander De Croo auch schon in der Kammer gesagt hatte. Auf der Tagesordnung stehe in erster Linie eine epidemiologische Bestandsaufnahme. "Wir wollen im Detail verstehen, wo wir Fortschritte gemacht haben und wo die Situation gegebenenfalls noch besonders ernst ist."
Zumindest die großen Tendenzen sind ja im Grunde jedem ersichtlich: Zwar sind einige Zahlen (endlich) wieder rückläufig, sie bleiben aber viel zu hoch. Deswegen könne denn auch absolut keine Rede davon sein, etwas an der bisherigen Marschrichtung zu verändern. "Für Lockerungen ist es noch viel zu früh", sagt auch Vincent Van Quickenborne. Der frühestmögliche Zeitpunkt für eine solche Entscheidung wäre wahrscheinlich Ende November.
Das dürfte niemanden wirklich verwundern. Denn jeder weiß, dass die Lage in den Krankenhäusern nach wie vor sehr kritisch ist. Sabeth De Waele, die Chefin der Intensivstation des UZ-Brussel, hat das am Donnerstagabend in der VRT-Talkshow "De afspraak" noch einmal eindrucksvoll bestätigt. Auf ihrer Station heiße es weiter: alle Mann an Deck!, sagte De Waele.
Im Moment liegen laut Sciensano 1.452 Patienten auf der Intensivstation. Es sei aber immer die Rede davon, dass doch 2.000 Intensivbetten zur Verfügung stehen. Diese Betten seien eigentlich "virtuell", in dem Sinne, dass das die theoretisch verfügbaren Betten sind. "In der Praxis sind wir jetzt schon am Limit", sagt Sabeth De Waele. Wir müssen Personal einsetzen, das sonst nicht auf der Intensivstation arbeitet. Das muss jeder wissen, wenn er die Zahlen liest.
Man hört es schon: Sabeth De Waele will vermeiden, dass sich zu schnell zu viel Optimismus breit macht. Später spricht sie es auch offen aus. "Natürlich freut es uns, wenn die Zahlen rückläufig sind. Das bedeutet ja schließlich auch, dass sich die Situation auf unserer Station vielleicht in absehbarer Zeit entspannt. Zugleich wird uns bei solchen Meldungen aber auch angst und bange. Wir stellen wir uns die Frage: Was mag da wohl jetzt wieder kommen?"
Das Personal fürchtet, dass jede gute Neuigkeit gleich wieder Lockerungen mit sich bringt. Und da spricht auch der Frust. Viele in den Krankenhäusern sind - wenn sie denn mal Zeit finden - wütend. "Wütend, dass es soweit kommen konnte", sagt auch Doktor De Waele. "Wütend, dass man es so weit hat kommen lassen, dass man nicht früher eingegriffen hat. Dabei haben wir sehr früh gewarnt." Insofern sei sie sehr froh gewesen angesichts der Worte von Premier De Croo, der eben im Moment jegliche Lockerung ausschließt.
Doch gilt das wirklich für alle? MR-Chef Georges-Louis Bouchez hatte am Donnerstag ein bemerkenswertes Plädoyer gehalten. "Wir wollen doch nicht Weihnachten über Skype feiern", sagte Bouchez. Er ist der Ansicht, dass ein Weihnachtsfest zu dritt oder zu viert möglich sein sollte, wenn die Zahlen es erlaubten und wenn die Regeln respektiert werden können.
Die Antwort von Sabeth De Waele war unmissverständlich deutlich: "Dann kriegen wir auf der Intensivstation eine Weihnachtswelle. Und, ganz ehrlich: Die schaffen wir nicht mehr."
Medienberichten zufolge könnte das Thema Weihnachten auch am Freitag beim Konzertierungsausschuss zur Sprache kommen. "Mal sehen, wie sich die Zahlen entwickeln", sagte jedenfalls der Virologe Marc Van Ranst am Freitagmorgen in der VRT. Er sei zwar nicht sehr zuversichtlich, was Weihnachten angeht, aber bis dahin sind es ja noch 40 Tage.
Roger Pint