"Zum Auftakt dieser neuen Woche erstmal gute Neuigkeiten" - das haben Steven Van Gucht und sein frankophoner Kollege Yves Van Laethem auch schon lange nicht mehr sagen dürfen. Yves Van Laethem fügte aber ein entscheidendes Wörtchen hinzu: "relativ gute Neuigkeiten". Der Punkt ist: Es gibt einen Lichtblick - nicht weniger, aber auch nicht mehr. Genauer gesagt sind es sogar zwei Lichtblicke.
Erstens: Die Zahl der Neuinfektionen ist in der letzten Sieben-Tages-Periode spürbar zurückgegangen. 9.487 Menschen haben sich pro Tag mit dem Coronavirus angesteckt. Das entspricht einem Rückgang um stolze 40 Prozent. Das ist natürlich sehr positiv, wenn auch die Zahlen vorher eben auch ziemlich hoch waren, sagt Steven Van Gucht. "Knapp 9.500 neue Fälle pro Tag sind immer noch zu viel. Diese Zahlen müssen noch gehörig sinken, ehe wir wirklich die Gefahrenzone verlassen haben."
Gesundheitsexperten sind der Ansicht, dass die Zahl der täglichen Neuinfektionen unter 100 sinken muss, um wirklich in ein halbwegs normales Leben zurückzukehren. Der Weg ist also noch weit.
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Vor allem die Situation in den Krankenhäusern wird nach wie vor mit Argusaugen beobachtet. Auch hier - und das ist der zweite Lichtblick - scheinen die Zahlen wieder in den Sinkflug gegangen zu sein. Die Zahl der Neuaufnahmen sank wieder unter die Schwelle von 600 pro Tag, in der letzten Sieben-Tages-Periode waren es 597.
Die Gesamtzahl der Krankenhauspatienten beläuft sich aber immer noch auf knapp 7.000. "Das ist immer noch sehr viel", sagt Yves Van Laethem. "Das sind mehr Covid-Patienten als während der ersten Welle. Die zur Verfügung stehende Gesamtkapazität ist aber zum Glück nicht erreicht."
In den Intensivstationen bleibt die Lage angespannt. Die Zahl der Patienten steigt weiter, dürfte sich aber im Laufe der Woche stabilisieren. Dennoch werden im Moment werden knapp 1.500 Patienten auf Intensivstation behandelt. "Die Zahl liegt zwar auch unter der Gesamtkapazität, aber auch sie ist ein Rekord", sagt Steven Van Gucht. Entsprechend hoch ist nach wie vor der Druck, der auf den Krankenhäusern lastet. Mehrere Krankenhäuser seien im Moment ausgelastet, vor allem im frankophonen Landesteil.
Zwei Schwellen überschritten
In Belgien haben sich seit Beginn der Pandemie nachweislich 500.789 Menschen mit dem Coronavirus angesteckt, knapp fünf Prozent der Bevölkerung. Inzwischen sind 13.055 Menschen an den Folgen einer Covid-19-Erkrankung gestorben, und täglich kommen im Moment im Durchschnitt 179 neue Todesopfer hinzu.
Bewegende RTBF-Reportage
Was der Druck auf die Krankenhäuser konkret bedeutet, hat die RTBF ebenso eindrucksvoll wie beklemmend illustriert. Die frankophone Fernsehanstalt hat eine Reportage im Vésale-Krankenhaus in Charleroi gedreht. Die Bilder sind geprägt von Anspannung und Stress, von einem beginnenden Chaos.
Die Intensiv-Krankenschwester Laetitia Degl'innocenti spricht es aus: "Wenn Sie krank sind oder einen banalen Unfall hatten, nun, ich weiß nicht, wo man sie behandeln könnte. Es gibt keinen Platz", sagt die Pflegerin. Und dann wird sie von ihren Gefühlen übermannt: "Das ist so schwer! Wir müssen hilfsbedürftigen Menschen sagen, dass wir keinen Platz für sie haben."
Das ist es, was die Sciensano-Sprecher meinen: Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer. Die Situation ist noch sehr angespannt und wird es auch noch ein bisschen bleiben.
Es gibt aber noch einen weiteren kleinen Lichtblick: Die beiden Sciensano-Sprecher zeigten sich zuversichtlich, dass die Test-Strategie sehr bald wieder "zum Normalzustand" zurückkehren kann. In der zweiten Monatshälfte könnten wohl schon wieder Menschen getestet werden, die einen Risikokontakt hatten, aber keine Symptome zeigen.
Roger Pint