Wie oft hatte man den politisch Verantwortlichen beim Corona-Krisenmanagement schon schlechte Kommunikation vorgeworfen. Neben Undeutlichkeiten und vagen Formulierungen ging es dabei sehr oft um den Vorwurf, dass die verschiedenen Ebenen eine wahre Kakophonie veranstalteten, dass sie alle ihr eigenes Süppchen kochten und keine Chance ausließen, sich gegenseitig in den Rücken zu fallen.
Mit der neuen Regierung von Premierminister Alexander De Croo hatte man eigentlich gehofft, dass dies besser würde. Dass dem nicht so ist, den Beweis bekam man ziemlich postwendend nach der Verkündung der jüngsten Verschärfung der Corona-Schutzmaßregeln. Und das ausgerechnet von dem föderalen Minister, der für den Mittelstand, die Selbstständigen und kleineren und mittleren Unternehmen zuständig ist. Und der auch noch zur selben Parteienfamillie wie der Premier gehört.
Der Liberale David Clarinval kritisierte nämlich öffentlich die Entscheidung, die Horeca-Betriebe zu schließen. Sie seien ein bisschen einfaches Ziel. Aber der Beschluss sei kollegial gefallen und das müsse er eben akzeptieren. Diese Äußerungen haben wohl für soviel Unmut gesorgt, dass er am Morgen bei Matin Première gleich mehrfach betonte, dass er immer ein loyaler Minister gewesen sei und das auch bleibe.
Und dass er die Entscheidung umsetzen werde. Und er sei auch solidarisch mit dem Beschluss. Auch wenn er die Schließung zuvor drei Tage lang blockiert habe.
Weniger überraschend, auch weil es ja bei weitem nicht das erste Mal war, ist hingegen die Kritik von der N-VA. Die flämische Tourismusministerin Zuhal Demir griff die Maßnahme als neuerlichen Kinnhaken gegen den flämischen Tourismus und Horeca-Sektor an. Das bekomme sie nicht erklärt, twitterte Demir. Parteichef und Bürgermeister von Antwerpen Bart De Wever stieß ins gleiche Horn.
Diese Entscheidung sei sehr schwierig zu begreifen. Gerade, was die Restaurants angehe. Auch wenn man in einem Konzertierungsausschuss Kompromisse machen müsse, könne er das wirklich nicht verstehen. Bei Cafés und Festsälen habe er das ja hingegen noch nachvollziehen können, so De Wever.
Natürlich hat De Wever kein Interesse, der neuen Regierung irgendwelche Gefallen zu tun. Die N-VA wurde auf föderaler Ebene ja in die Opposition geschickt. Allerdings erweist er mit seinen Äußerungen auch seinem Parteikollegen und flämischen Ministerpräsidenten Jan Jambon wohl eher einen Bärendienst.
Der saß bei den Entscheidungen ja nicht nur mit am Tisch, sondern muss auch die Menschen im Norden des Landes motivieren. Was er auch redlich versucht. So rief er die Menschen in einer eindringlichen und emotionalen Videobotschaft auf, nicht den Mut zu verlieren und die Regeln zu befolgen, um eine Katastrophe und einen vollständigen Lockdown zu vermeiden. Da sind dissonante Stimmen kontraproduktiv, zumal aus der eigenen Partei und Regierung und dann auch noch vom Bürgermeister der Großstadt Antwerpen.
Premierminister De Croo reagierte darauf bei der VRT. Er hoffe doch, dass inzwischen alle den Ernst der Lage begriffen hätten. Und dass keine politischen Spielchen über wirklich notwendige gesundheitliche Entscheidungen veranstaltet würden. Und er wandte sich auch explizit gegen die gemeinschaftspolitischen Anfeindungen aus bestimmten Ecken des flämischen Spektrums gegen die anderen Landesteile. Der Feind, das sei das Virus.
Und nicht die Französischsprachigen oder Wallonen. Und selbst wenn es jetzt noch einige Flecken in Flandern gebe, die noch nicht ganz so schlimm da stünden wie der Rest des Landes, müsse man nach wissenschaftlichen Prognosen davon ausgehen, dass das bald so sein werde. Belgien sei ein kleines Land, so De Croo. In dem die Menschen eng miteinander verbunden seien.
Da dauere es nicht lang, bis das Virus überall sei. Und lieber nehme er Maßregeln, die vielleicht an manchen Orten noch ein wenig zu früh kämen. Das Leben einiger Menschen zu retten sei besser, als erst dann einzugreifen, wenn die Situation auch dort gleich dramatisch sei. Und wenn alle Belgier solidarisch seien und begriffen, dass man die sozialen Kontakte minimiere, um sich selbst und vor allem die gefährdetsten Menschen zu schützen, dann könne man das auch perfekt hinbekommen, appellierte De Croo.
Boris Schmidt