Sind die Unis wirklich eine Corona-Brutstätte? Diese Hypothese hört man immer wieder. Die regelrechte Explosion der Corona-Fälle insbesondere in der Wallonie wurde zuweilen dadurch erklärt, dass die Studenten aus Brüssel oder Louvain-la-Neuve das Virus quasi am Wochenende mit nach Hause genommen haben.
Code rot an der Uni Gent
Die Wahrheit liegt wohl, wie so oft, irgendwo in der Mitte. Es ist aber nicht zu bestreiten, dass unter den Studenten das Virus gerade besonders zirkuliert. Und die Uni Gent reagiert jetzt tatsächlich mit einer drastischen Maßnahme. Die Direktion rief "Code rot" aus.
In der Praxis bedeutet das, dass der Unterricht, wenn eben möglich, wieder online stattfindet, sagte Rik Van de Walle, Rektor der Uni Gent, in der VRT. Alle Vorlesungen werden nur noch über Internet stattfinden. Nur praktische Kurse werden auf dem Campus organisiert.
Gent setzt damit ein Zeichen. Im Grunde ist das eigentlich schon der Lockdown-Modus. Wir machen das, weil alle Parameter im roten Bereich sind, begründet der Rektor die Entscheidung. Alle Indikatoren laufen in die falsche Richtung, und das ziemlich schnell. Wir übernehmen jetzt unsere Verantwortung, sagt Rik Van de Walle.
Eigenwillige Einstellung einiger Studentinnen
Ob das Signalwirkung haben wird, das muss sich noch zeigen. In den meisten flämischen Unis gilt noch Code orange. Auf der anderen Seite der Sprachgrenze ist man noch eine Stufe darunter, nämlich Code gelb.
Dabei stehen die frankophonen Unis derzeit doch vielerorts in der Kritik. Das gilt vor allem für die UCLouvain. Louvain-la-Neuve ist immer noch maßgeblich von Studenten bewohnt und dort zirkuliere das Virus besonders stark.
Dieser Eindruck wurde durch eine Reportage untermauert, die das VRT-Fernsehen ausgestrahlt hatte. Zu sehen sind Studentinnen, die ohne Maske unterwegs sind und doch eine sehr "eigenwillige", um nicht zu sagen gefährliche Einstellung an den Tag legen.
Also sie trage keine Maske, wenn sie zu ihren Eltern fahre, sagt die Studentin. Wenn sie darüber nachdenke, dann sei das vielleicht doch ein bisschen blöd. Schließlich sehe sie viele Leute, ihre Eltern dagegen nicht. Aber dennoch: Wenn sie zu Hause ankomme, dann gebe sie ihren Eltern erstmal einen Kuss...
Direktor der UCL reagiert auf VRT-Reportage
Dem einen oder anderen ist hier die Kinnlade runtergeklappt. "Da muss man sich ja über nichts mehr wundern." Vincent Blondel, der Rektor der UCLouvain brachte in der RTBF aber einige Nuancen an. Man könne ja nicht abstreiten, dass viele Studenten infiziert seien. Die VRT-Reportage zeige aber ein Zerrbild, hier würden Vorurteile bedient
"Die übergroße Mehrheit der Studenten hält sich an die Regeln und trägt eine Maske", sagt Blondel. Das sei im Stadtbild sichtbar. Die Leute, die da interviewt worden seien, habe man wohl fast schon suchen müssen... Die Infektionszahlen an seiner Uni seien vergleichbar mit denen an anderen Einrichtungen. Den Vorwurf, wonach seine Uni die Virenschleuder der Wallonie sei, diesen Schuh will sich Blondel nicht anziehen.
"Es ist erwiesen, dass sich die wenigsten im Rahmen ihrer akademischen Tätigkeiten anstecken", fügt Blondel hinzu. Das Infektionsgeschehen finde außerhalb der eigentlichen Unis statt. "Und, mal ehrlich", sagt Blondel: Er als Rektor könne doch auch nicht in die Studentenbuden reingehen, um dort nach dem Rechten zu sehen.
Studenten seien letztlich eben auch Bürger mit den entsprechenden Rechten und Pflichten. Und das sei irgendwann auch nicht mehr Sache der Unis. Man versuche, die Studenten zu sensibilisieren, mehr könne man eben nicht machen.
"Und ob Code rot nun der Weisheit letzter Schluss ist, das sei auch mal dahingestellt", so Blondel weiter. "Wenn wir die Studenten jetzt wieder nach Hause schicken, dann könnte man noch dazu beitragen, dass sich das Virus weiterverbreitet."
Vor allem dürfe es hier nicht darum gehen, jetzt einer bestimmten Bevölkerungsgruppe die Schuld in die Schuhe zu schieben, sind sich alle einig. "Wir können diese Krise nur zusammen meistern..."
Roger Pint