Am Sonntag hat Belgien offiziell die Grenze von 100.000 bestätigten Coronavirus-Infektionen überschritten. Und im Durchschnitt liegen wir bei deutlich über tausend Fällen pro Tag. Nicht nur die Infektionskurven gehen nach oben, sondern auch die Krankenhausaufnahmen und die Fälle für die Intensivstationen. Auch ältere Menschen, die ja ein deutlich höheres Risiko haben, schwer zu erkranken, sind wieder häufiger betroffen.
Die Kinder kämen eben aus der Schule mit dem Virus nach Hause und steckten dann Eltern und Großeltern an. Das sei zu erwarten gewesen, so der Virologe Marc Van Ranst am Morgen in der VRT. Man könne nicht hoffen, dass sich das Virus auf eine Altersgruppe beschränke.
Premierministerin Sophie Wilmès hatte angesichts der Entwicklung der Zahlen in einer Videobotschaft in den Sozialen Medien die Bevölkerung dazu aufgerufen, die Schutzmaßregeln zu respektieren und so strengere Auflagen vermeiden zu helfen. Auch die föderale Gesundheitsministerin Maggie De Block machte einen entsprechenden Aufruf.
Angesichts der Entwicklungen war aber der Druck auf die Politik gewachsen, nach einer längeren Pause wieder den Nationalen Sicherheitsrat einzuberufen. Die letzte Sitzung hatte am 20. August stattgefunden. Das Ziel diesen Mittwoch soll unter anderem sein, von einem Krisenmanagement zu einem Risikomanagement überzugehen, wie Wilmès sagte. Oder anders gesagt: die Maßnahmen so anzupassen, dass sie nachhaltig und effizient sein können.
Was konkret am Mittwoch entschieden werden wird, muss man abwarten. Viele Menschen fordern ja Erleichterungen. Allerdings scheint der politische Wille, die Zügel allzu sehr zu lockern, begrenzt. Was allerdings verschwinden könnte, ist die sogenannte "Fünferblase".
Wenn man hier Zugeständnisse mache, müsse man aber auch akzeptieren, dass in anderen Bereichen die Regeln verschärft werden müssten. Das unterstrich die föderale Gesundheitsministerin am Sonntag in De Ochtend. Wenn man dem Virus mehr Raum zum Agieren gebe, müsse man es anderweitig einschränken, so Maggie De Block.
Der Virologe Marc Van Ranst glaubt an eher kosmetische Veränderungen nach dem Nationalen Sicherheitsrat. Die "Fünferblase" sei ein verbrannter Begriff. Das ändere aber nichts daran, dass die sozialen Kontakte der Menschen begrenzt werden müssten. Die Chance, dass sich das Virus zwischen den Menschen ausbreite, müsse auf die eine oder andere Art und Weise verkleinert werden.
Und wenn die Fünferblase verschwinde, müsse man eben mit einer anderen, entsprechenden Maßnahme kommen. Was dann letztlich bis auf den Namen auf das Gleiche hinausliefe. Mehr Kontakte zu erlauben, führe zu mehr Fällen, das habe man gesehen. Es sei schwierig, unangenehm und ärgerlich. Aber man habe keine echte Wahl.
Geert Meyfroidt, Professor für Intensivmedizin an der Universität Löwen, hält die bestehenden Maßnahmen an sich für geeignet genug, um die Ausbreitung des Virus zu begrenzen. Das sagte er am Morgen in der VRT. Das Problem sei vielmehr die Motivation der Menschen. Die Menschen müssten sich an die Regeln halten könne und auch verstehen, worum es denn eigentlich gehe, betonte Meyfroidt. Anstatt über ein Anziehen oder Lockern der Zügel zu sprechen, müsse es vielleicht eher darum gehen, wie man die Maßnahmen zielgerichteter gestalten könne. Um die Menschen eben zu motivieren, müsse man ihnen vielleicht auch ein Ziel geben. Sie müssten verstehen, worauf man hinarbeite.
Diesen Gedanken teilt er auch mit Marc Van Ranst. Der plädiert, sich beispielsweise Länder wie Irland als Vorbild zu nehmen. Dort sind in Abhängigkeit von den Corona-Zahlen verschiedene Phasen definiert. Und für jede Phase ist festgelegt, was man darf beziehungsweise eben was nicht mehr. Wenn die Menschen ein Ziel vor Augen hätten, also die Aussicht, dass wenn sie sich verantwortungsvoller benehmen, sie wieder konkret mehr dürften, dann motiviere das, sich entsprechend anzustrengen, ist Van Ranst überzeugt.
Boris Schmidt